zum Newsletter anmelden
 

Nobody is perfect

Fehler zu machen ist menschlich. Fehler zu wiederholen ist schmerzlich. Dieselben Fehler immer wieder zu machen ist dämlich. Eine Lebensweisheit, die man sofort unterschreiben kann. Kein Mensch ist makellos – um das festzustellen, braucht man nur seinem Partner genau zuzuhören, wenn in der Wohnung mal wieder das Geschirr fliegt. „Trial and error“ war sicher auch die Taktik, um uns Menschen vom urgeschichtlichen Feldbeuter zum hochmodernen Schmollmundposer zu entwickeln. Ein steiniger Weg der ständigen Optimierung und ein Prozess, der auch mit Fehlern einhergeht.

Man könnte auch sagen, dass die Erfahrung die Summe von Fehlern ist, die man macht. Es ist also durchaus verwunderlich, wieso uns gesellschaftspolitisch anerzogen wurde, Missgeschicke nicht offen zuzugeben. Daher haben wir auch nie im Leben etwas geklaut, falsch getankt, bei der Abschlussarbeit abgeschrieben oder uns von einem Gebrauchtwagenverkäufer übers Ohr ziehen lassen. Lieber lassen wir uns selbst eine perfekte Realität vorgaukeln als einen Fehltritt einzugestehen und dafür einen Leberhaken für das eigene Selbstwertgefühl zu kassieren. Die vermeintliche Unfehlbarkeit setzt sich auch in der Politik fort. Wo jeder Fehler der letzte in der Karriere sein kann, meidet man offene, mutige Schuldeingeständnisse und setzt lieber auf Althergebrachtes wie Aussitzen oder Leugnen. 

In vielen Berufen ist aber inzwischen eine Abkehr von klaren Leitplanken zu beobachten. Gerade bei Kreativen bekommt das Fehlermachen eine gewisse Coolness. Unternehmen lockern die Bedingungen und tauschen den von guter Organisation und Sorgfalt geprägten „Dienst nach Vorschrift“ gegen die Chance ein, Mitarbeiter durch Wagnisse über den Tellerrand blicken zu lassen. Nicht unbedingt aus Gründen der wachsenden Sozialkompetenz, sondern des Profits wegen. Nur so lassen sich wegweisende Ideen finden und geniale Lösungen entwickeln.

Auch bei der Planung und Ausführung von Bauprojekten werden Fehler gemacht, was die Gesamtbaukosten entsprechend in die Höhe treibt. So hat das Marktforschungsinstitut Bauinfoconsult in einer Analyse festgestellt, dass die Fehlerkosten am Bau im Jahr 2018 einen Schaden von rund 18 Mrd. Euro angerichtet haben. Eine weitere Studie vom Institut für Bauforschung stellte zugleich fest, dass es in der Baubranche keine Lernkurve zu geben scheint. Eher umgekehrt: die Schadenszahlen in Deutschland haben im Zeitraum zwischen 2002 und 2016 um 377 % zugenommen und das trotz der Tatsache, dass sich die Bautätigkeit in den ersten sechs Jahren dieses Betrachtungszeitraums im Sinkflug befand. Gut möglich, dass bei uns die Qualitätslatte etwas höher liegt als in Timbuktu und wir etwas pingeliger sind bei der Definition, was ein Baumangel ist und was nicht. Gut möglich auch, dass sogar beim neuen, modernen Flughafen Istanbul, der die vierfache Passagierkapazität des Berliner BER besitzt und trotzdem in nur viereinhalb Jahren aus dem Boden gestampft wurde, bei der Abnahme nicht auf jede „Kleinigkeit“ geachtet wurde. Ob man dadurch die 14 Jahre andauernde Bauzeit und die horrenden Fehlerkosten des BER rechtfertigen kann, darf bezweifelt werden.

Wir haben festgestellt, dass Fehler zum Leben dazu gehören. Und dass die Bauakteure nicht auf der Insel der Glückseligen leben, ist auch klar. Und doch muss sich die Branche einen Vorwurf machen, noch heute eifrig unnötige Kosten zu produzieren. Natürlich erschweren die zunehmende Komplexität der Bauwerke, neue Baustoffe und Bauteile sowie die nicht enden wollende Flut an gesetzlichen Vorlagen das Alltagsgeschäft. Doch Mängel, die aufgrund unzureichender Planung, schlechter Kommunikation und Koordination entstehen können, lassen sich auch ohne Inkaufnahme von Fehlschlägen vermeiden. Z. B. durch eine neue „Planungskultur“, die eine digitale Infrastruktur mit einem zentralen, gewerkeübergreifenden Modell einschließt. Softwarebasiert lassen sich auf diese Weise Mängel und andere Auffälligkeiten lange vor dem Baustart identifizieren. So macht das Fehlermachen ganz sicher Spaß!

Autor: Paul Deder

Weitere Artikel:

Ihrer Zeit voraus

Ihrer Zeit voraus

Kürzlich erreichte mich die Meldung, dass ein mir bekanntes Unternehmen, das innovative Maschinen für die Baustelle entwickelt, beim zuständigen Amtsgericht Insolvenz anmelden musste. Acht Jahre nach der Gründung konnte der Technologieanbieter das prognostizierte Geschäftswachstum nicht erreichen. Auch wenn es durchaus Chancen gibt, dass im Rahmen des Konkursverfahrens Investoren für die Umsetzung eines Sanierungsplans gefunden werden können, zeigt dieser Fall das Manko vieler junger Unternehmen mit Visionen: Sie scheitern oft, weil sie ihrer Zeit voraus sind.

mehr lesen

Auf Schrumpfkurs

Auf Schrumpfkurs

Stark gestiegene Zinsen, hohe Inflation und Knappheiten in den Märkten – seit fast zwei Jahren büßen zahlreiche Weltregionen an Schwung ein. Deutschland zählt zu den größten Verlierern der aktuellen geopolitischen Spannungen. Schon im letzten Jahr ist unser Bruttoinlandsprodukt preisbereinigt um 0,3 % gesunken. Und auch die Konjunkturvorhersagen des IWF für 2024 zeigen, dass es dem Land an Wachstumsimpulsen mangelt. In der Riege der größten Volkswirtschaften sind die Deutschen bei BIP-Prognosen nach dem krisengeplagten Argentinien Schlusslicht – mit einem Wachstum von lediglich 0,5 %.

mehr lesen

Das Mysterium Gen Z

Generation Z

Während sich die Babyboomer in den Ruhestand verabschieden und die Millennials Karriere machen, tritt die Generation Z langsam ins Rampenlicht. Bei den Arbeitgebern verbreiten die Digital Natives Angst und Schrecken: Trägheit und mangelnde Motivation werden ihnen nachgesagt, ebenso wie geringe Belastbarkeit und hohe Ansprüche. Millionen verwöhnter Gören und verzogener Bengel mit schlechter Arbeitsmoral, dafür aber einem Faible für Tofu, Gerechtigkeit und apokalyptische Endzeitszenarien. Wohnstandskinder, die ohne WLAN und bei leerem Akku apathisch werden, tagtäglich auf dem Sofa herumlümmeln und außerhalb der Online-Welt weder kommunikations- noch beziehungsfähig sind. Alles nur ein Klischee?

mehr lesen

Stürmische Zeiten

Stürmische Zeiten

Der Immobilienmarkt hat mit einer schwierigen Gemengelage zu kämpfen. Zum einen sind da die potenziellen Käufer, die trotz unterirdischer Rahmenbedingungen den Traum von den eigenen vier Wänden noch nicht aufgegeben haben. Nur sehr langsam kommt die Erkenntnis, dass sie sich bei der Wahl der Wunsch-Immobilie in Bescheidenheit üben müssen. Denn die Hoffnung, dass die Häuserpreise mangels potenter Abnehmer ins Bodenlose sacken, bleibt vorerst unerfüllt. Viele Verkäufer, die Anfang 2022 noch den Preis bestimmen konnten, sind nach wie vor nicht bereit, deutliche Abschläge für ihre Immobilien zu akzeptieren. Nach der Preiskorrektur für Bestandsobjekte aufgrund des Zinsanstiegs im letzten Jahr hat sich die Abwärtsbewegung der Immobilienpreise inzwischen spürbar verlangsamt.

mehr lesen

Paradigmenwechsel

Paradigmenwechsel

Die Kuh ist vom Eis. Nach monatelangem Streit zwischen den Ampel-Parteien, hitzigen Diskussionen auf den medialen Bühnen und großer Verunsicherung bei Eigentümern und Mietern hat der Bundestag das sogenannte Heizungsgesetz mit einer Mehrheit verabschiedet. Ab 2024 müssen in den meisten Neubauten Heizungen mit 65 % erneuerbarer Energie eingebaut werden, und auch für andere Gebäude ist der schrittweise Umstieg auf klimafreundliche Heizungen eingeläutet.

mehr lesen

(Un)pünktlich wie die Bahn

(Un)pünktlich wie die Bahn

Mitten in der Ferienzeit weckt ein aktueller Werbespot der Deutschen Bahn Lust auf Reisen. Ein breit grinsender, tiefenentspannter Bahnkunde lehnt sich zurück, schließt die Augen und genießt den Trip. „Weg von den Überstunden, weg vom Stau“ – Eine Bahnfahrt als unvergessliches Erlebnis mit magischen Landschaften außen und dem Komfort eines Fernzugs innen. Der Weg ist das Ziel! Die Realität sieht allerdings oft anders aus: Würde man den Schauspieler gegen einen echten Kunden austauschen, dann wäre sein Lachen eher hysterisch – als Ausdruck einer akuten Belastungsreaktion kurz vor dem Nervenzusammenbruch.

mehr lesen

Alibi-Programm

Alibi-Programm

Zwölf Jahre lang haben zahlreiche Akteure von der guten Baukonjunktur und boomenden Immobilienbranche profitiert. Seit dem zweiten Quartal 2022 ist die Party vorbei: Aus dem Verkäufer- ist ein Käufermarkt geworden, trotz des massiven Wohnraummangels sinkt die Nachfrage nach Wohnimmobilien spürbar. Der Auftragsbestand der Bauunternehmen schmilzt dahin, die Bauträger sind auf einmal gezwungen, Kaufinteressenten zu umwerben und auch für die ominösen Möchtegern-Makler, die sich trotz fehlender Fachkompetenz jahrelang die Taschen vollstopfen konnten, ist der Immobilienverkauf als Selbstläufer passe.

mehr lesen

KI: Chance oder Risiko?

KI: Chance oder Risiko?

Wir Menschen sind Perfektionisten – eine Eigenschaft, die aus evolutionärer Sicht  von entscheidender Bedeutung ist. Einst erreichte Standards werden immer und immer wieder in Frage gestellt, um die Latte für die Lebensqualität höher zu legen. Das hat dazu geführt, dass wir heute in einer völlig anderen Welt leben und sogar gerade dabei sind, künstliches Leben zu erschaffen. Wird die Künstliche Intelligenz (KI) zum Gamechanger oder droht uns eine digitale Revolution, die die Welt ins Chaos stürzt?

mehr lesen

Melkkuh der Nation

Melkkuh der Nation

Wir haben die Übeltäter! Endlich steht fest, wer für die verfehlten Klimaziele geradestehen und den radikalen Gesellschaftsumbau finanzieren muss. Nachdem der Gebäudesektor bei den erlaubten Jahresemissionsmengen erneut in rote Zahlen gerutscht ist, müssen die Immobilienbesitzer notfalls mit Brachialgewalt auf den vorgesehenen Dekarbonisierungspfad gebracht werden. Förderprogramme und Marktanreize? Sind teuer und der Erfolg ist schlecht planbar. Wer sich ein Haus leisten kann, sollte auch das nötige Kleingeld haben, um die klimapolitischen Versäumnisse der Großen Koalition auszubaden.

mehr lesen