ANDREAS STIHL AG & Co. KG
Anschrift:
Badstr. 115
71336 Waiblingen - Neustadt
Deutschland
Corona-Pandemie, Klimawandel, Steigende Energiekosten, Kaufkraftverlust und der Krieg in der Ukraine – auch bei erfolgsverwöhnten Platzhirschen hat die seit 2020 herrschende Krisen-Überdosis Spuren hinterlassen. Besonders anspruchsvoll für die Industrie war das vergangene Jahr – so auch beim schwäbischen Maschinenbauunternehmen Stihl. Wieso der Motorsägen-Weltmarktführer trotz eingetrübter Geschäftsentwicklung zuversichtlich in die Zukunft blickt, erklärte uns Andreas Epple, der seit Anfang 2023 Geschäftsführer der deutschen Stihl-Vertriebszentrale mit Sitz in Dieburg ist. Im bpz-Interview sprachen wir mit dem Marketing- und Vertriebsexperten u. a. über vergangene und zukünftige Herausforderungen auf dem deutschen Markt, die Potenziale im Akku-Segment sowie die Zukunftsfähigkeit von Benzin-Produkten.
bpz: Deutschland verzeichnete 2022 ein beeindruckendes Absatzwachstum und einen Umsatz von über 500 Mio. Euro für Stihl. Wie beurteilen Sie die Erfolgsaussichten für das Jahr 2023 bei der Vertriebszentrale in Dieburg?
Epple: Stihl Dieburg verzeichnet seit Jahren ein kontinuierliches und gesundes Wachstum. Die Jahre nach Beginn der Pandemie waren jedoch besonders außergewöhnlich, da wir sowohl zweistellige Zuwächse im Absatz als auch im Umsatz verzeichneten. Niemand von uns hat erwartet, dass sich diese Entwicklung endlos fortsetzt. Wir waren uns vielmehr bewusst, dass eine Konsolidierung bevorsteht. Diese erleben wir nun seit 2023. Aufgrund der hohen Inflation und Entscheidungen des Gesetzgebers, insbesondere im Zusammenhang mit dem Heizungsgesetz, denken Verbraucherinnen und Verbraucher mehr darüber nach, wie sie ihr Geld ausgeben. Die Kaufzurückhaltung ist auch bei uns zu spüren, daher wird es wohl schwierig sein, den Umsatzrekord des Vorjahres in 2023 zu erreichen.
bpz: Das Wetter, von dem der Umsatz im Gartengeräte-Segment direkt abhängt, hat ebenfalls Einfluss auf Ihre Geschäfte genommen.
Epple:Das ist richtig. Die Vegetationssaison begann später als üblich, da es noch bis in den April hinein frostige Tage gab. Zudem gab es im Sommer sechs Wochen lang keinen Regen, was unser Rasenmäher-Geschäft belastet hat. Im August war die Situation jedoch umgekehrt: Während unsere Saison normalerweise zu dieser Zeit vorbei ist, sorgte das günstige Wetter dafür, dass die Absatzzahlen anzogen. Der saisonale Verlauf verändert sich nachhaltig, und das müssen wir für die Zukunft berücksichtigen.
bpz: In den Jahren 2021 und 2022 waren Liefereinschränkungen weit verbreitet, von denen auch Stihl nicht verschont blieb. Hat sich die Situation inzwischen entspannt?
Epple: Die Lieferschwierigkeiten resultierten größtenteils aus der enormen Nachfrage während der Pandemie. Die Investitionsbereitschaft der Endverbraucher in den Garten stieg damals, da sie aufgrund von Corona kaum Möglichkeiten hatten, Geld auszugeben, und viel Zeit zu Hause verbrachten. Diesem Nachfrageanstieg konnten wir nicht vollständig gerecht werden, obwohl wir stets lieferfähig waren und über das Jahr hinweg mehr auslieferten als in den Jahren zuvor. In der Folge änderte der Handel sein Einkaufsverhalten und orderte vorsorglich. Später normalisierte sich die Nachfragesituation jedoch wieder, und wir starteten das Jahr 2023 mit hohen Lagerbeständen im Handel. Die Lieferketten haben sich heute wieder komplett normalisiert, und die Warenverfügbarkeit entspricht dem Niveau der Jahre vor der Pandemie.
bpz: Trotz der Herausforderungen hat Stihl daran gearbeitet, Lieferengpässe zu reduzie- ren. Neben der Qualifizierung zusätzlicher Lieferanten wurde verstärkt in die Erweiterung der Produktionskapazitäten investiert. Haben Sie hierbei Erfolg erzielt?
Epple: Während der Pandemie haben wir weltweit über 400 Mio. Euro investiert, um langfristige Lösungen für Lieferkettenprobleme zu schaffen. Dazu gehörte die Übernahme des sächsischen Gartengeräte-Anbieters Mogatec und des US-amerikanischen Schalldämpferherstellers Cosmos, um unsere Entwicklungs- und Fertigungskompetenzen auszubauen. Als Reaktion auf den Wegfall ukrainischer Produktionsstätten für Kabelbäume haben wir unsere eigene Produktion auf den Philippinen hochgefahren und so die Fertigungstiefe erhöht. Darüber hinaus werden wir ab 2025 am Standort Waiblingen EC-Motoren selbst produzieren. All diese Maßnahmen sorgen für mehr Stabilität und Flexibilität in der Produktion in der Zukunft. Nicht zu vergessen ist die Erweiterung unserer Lagerkapazitäten – das 2021 eingeweihte Hochregallager in Dieburg ist heute zu über 90 % gefüllt.
bpz: Die Frühjahrsumfrage 2023 unter den GaLaBau-Betrieben deutet darauf hin, dass der Auftragsbestand zwar hoch ist, aber gleichzeitig auch eine gewisse Skepsis hinsichtlich der Branchenaussichten besteht. Wie sieht Stihl die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland angesichts der möglichen Auswirkungen der Wohnungsbaukrise?
Epple: Während der Pandemie haben wir festgestellt, dass die Zielgruppe der privaten Anwenderinnen und Anwender stärker gewachsen ist als die der Profis. Der Profi-Bereich ist für uns daher weniger anfällig für Schwankungen, und wir erwarten eine weiterhin stabile Entwicklung des Geschäfts sowohl bei den Kommunen als auch bei den GaLaBau-Betrieben. Die Akku-Technologie, zusammen mit Fortschritten in der Ladeinfrastruktur und Lagerung, wird auch im Profi-Bereich immer leistungsfähiger und interessanter. Das sichert langfristig die Nachfrage und eröffnet Wachstumschancen.
bpz: Sowohl im Consumer- als auch im pro- fessionellen Bereich zeigt sich ein Rückgang im Benzinsegment zugunsten der Akku-Sparte. Wie sieht diese Entwicklung bei Stihl aus?
Epple: Innerhalb des europäischen Marktes ist die Transformation bereits weit fortgeschritten. Bei Stihl wird 2023 jedes zweite in Deutschland verkaufte Produkt ein Akku-Gerät sein. In vielen Anwendungen kann ein benzinbetriebenes Gerät mittlerweile vollständig durch ein Akku-Pendant gleicher Leistungsklasse ersetzt werden. Kunden wie Kommunen oder GaLaBau-Betriebe investieren vermehrt in akkubetriebene Geräte wie Laubbläser, um nicht nur Emissionsgrenzen einzuhalten, sondern auch die Lärmbelästigung zu reduzieren. Dennoch werden wir weiterhin an Innovationen im Bereich benzinbetriebener Geräte arbeiten, insbesondere im Hochleistungsbereich.
bpz: Haben die Lösungen mit Verbrennungsmotoren auf lange Sicht noch eine Zukunft?
Epple: Auch in der Zukunft wird es Anwendungen und Märkte geben, die auf benzingetriebene Geräte angewiesen sind. Um Benzingeräte zukunftsfähig zu machen, arbeiten wir an alternativen Treibstoffen. Im letzten Jahr haben wir bspw. MotoMixECO eingeführt, ein gebrauchsfertiges Kraftstoffgemisch, das zu 10 % aus Rohstoffen aus regenerativen Quellen besteht und eine CO2-Reduzierung um 8 % ermöglicht. Als Verfechter von E-Fuels sind wir Mitglied in einem Industrieverband, um sicherzustellen, dass auch über das Jahr 2035 hinaus mit den derzeitigen Geräten gearbeitet werden kann.
Alle unsere in der Vergangenheit vermarkteten Produkte sind E-Fuels-fähig. Da der Bedarf in der Branche überschaubar ist, könnten E-Fuels eine echte Lösung sein.
bpz: Wie viele Akku-Linien hat Stihl, und ist das Unternehmen mit dem aktuellen Akku-Konzept bereit für die Produkte der Zukunft?
Epple: Wir haben im Consumer-Bereich zwei Akku-Linien – das AS-System mit 10,8 V für kompakte Geräte und das AK-System mit 36 V für größere Geräte wie Rasenmäher, Blasgeräte oder Motorsägen. Für Profis gibt es die AP-Linie und den rückentragbaren Akku für 36 V starke Geräte. Bei diesen Linien bleiben wir auch erst einmal. Denn auch wenn stärkere Geräte wie große Trennschleifer hinzukommen, lässt sich die erforderliche Leistung mit mehreren parallel gesteckten Akkus gut abdecken.
bpz: Der Kauf einer Kettensäge war früher ausschließlich über den Fachhandel möglich. Heute kann man das Gerät auch online bestellen und nach Hause liefern lassen. Warum?
Epple: Traditionell haben wir darauf bestanden, dass Motorsägen im Fachhandel betriebsbereit übergeben werden. Inzwischen ist aufgrund sich verändernder Rahmenbedingungen ein Versand dieser Produkte ebenfalls möglich. Der Kauf im Fachhandel vor Ort wird aber weiterhin von vielen Kunden und Kundinnen bevorzugt. Denn die betriebsfertige Übergabe mit einer Einweisung ins Gerät hat viele Vorteile. Die Bedürfnisse sind eben sehr unterschiedlich, viele Kundinnen und Kunden erwarten heute die bequeme Möglichkeit einer Onlinebestellung.
bpz: Stößt diese Entwicklung auf Akzeptanz beim Händler?
Epple: Die Pandemie wirkte hier wie ein Katalysator. Der Fachhandel musste seine Verkaufsräume schließen, nur die Werkstätten blieben weiterhin geöffnet. Eine vollwertige Beratung war gar nicht möglich. Das hat selbst die E-Commerce-Skeptiker unter den Fachhändlern zum Umdenken gebracht. Der Online-Verkauf und -Versand der Ware sind aus der Welt nicht mehr wegzudenken. Viele dieser Fachhändler und Fachhändlerinnen haben in der Zwischenzeit begonnen, selbst Online-Handel zu betreiben.
bpz: Die Elektrifizierung der Baustelle schreitet voran, wichtig ist in diesem Zusammenhang jedoch auch eine geeignete Ladeinfrastruktur. Welche Lösungen hat Stihl in petto?
Epple: Dies ist ein wichtiges Thema für uns. Wir arbeiten nicht nur an mobilen Ladelösungen und Aufbewahrungsmöglichkeiten für Akkus, sondern auch an ganzheitlichen Mobilitäts- und Akku-Lösungen aus einer Hand. Ein aktuelles Beispiel ist „Goupil powered by Stihl“ - ein kommunales Elektrofahrzeug, das mit einer direkt an die Elektronik angeschlossenen Transport- und Ladebox ausgestattet ist. Dadurch lassen sich Akkus aus unserem AP-System nicht nur sicher transportieren, sondern auch über die Fahrzeugbatterie laden – direkt am Einsatzort und ohne Stromanschluss.
bpz: Digitales Gerätemanagement ist ein weiteres Trendthema in der Branche. Bietet Stihl alles Nötige für Gerätevernetzung und Flottenoptimierung?
Epple: Unsere Geräte können mit Smart Connectoren ausgestattet werden, die relevante technische Daten sammeln. Diese Informationen können jederzeit zentral abgerufen und ausgewertet werden, um sicherzustellen, dass die Produkte stets einsatzbereit sind und Ausfälle vermieden werden können. Der Nutzer kann sich auf seine Kernaufgaben konzentrieren statt Service-Termine im Auge zu behalten. Die Vernetzung von Informationen zwischen Maschine, Anwender, Service und Fachhandel ermöglicht effiziente Workflows – von der rechtzeitigen Meldung über die nächste Verschleißprüfung bis hin zur Auslösung eines Bestellvorgangs beim Fachhandel und Buchung eines Servicetermins mit Austausch und Übergabe eines Ersatzgeräts. Dies bietet einen echten Mehrwert im Arbeitsalltag, und deshalb erweitern wir kontinuierlich unser Angebot an Flottenlösungen.
bpz: Ist der Markt bereit, solche Instrumente ernsthaft einzusetzen?
Epple: Noch handelt es sich weitgehend um Einzelprojekte, aber der Zuspruch für professionelles Gerätemanagement nimmt zu. Unternehmen, die Geräte inklusive eines Full-Service-Pakets leasen, kommen ohne digitales Gerätemanagement nicht mehr aus. Die Sicherstellung einer vernünftigen Auslastung des gesamten Maschinenparks ist entscheidend. Geräteleasing gewinnt aufgrund der Kalkulationssicherheit an Bedeutung, sowohl bei Kommunen und staatlichen Einrichtungen als auch bei GaLaBau-Betrieben. Dadurch sprechen wir mit unseren Kunden und Kundinnen nicht mehr nur über einzelne Produkte, sondern über ganze Ökosysteme.
bpz: Die Ziele der Gesetzgebung für eine nachhaltige Entwicklung sind für Unternehmen Anspruch und Herausforderung zugleich. Aber auch die Verbraucher nehmen Unternehmen immer mehr in die Pflicht. Wie geht Stihl in eine nachhaltige Zukunft?
Epple: Nachhaltigkeit spielte schon bei unserem Gründer eine Rolle, da die Arbeit in der Natur voraussetzt, nachhaltig mit ihr umzugehen. Diese Philosophie prägt auch heute noch unsere Produkte. Nachhaltigkeit bedeutet für uns auch, Produkte mit langer Lebensdauer herzustellen. Dafür bieten wir eine Ersatzteilverfügbarkeit von zehn, bei einigen Produkten von bis zu 20 Jahren und haben Fachhandelsbetriebe, die unsere Geräte professionell reparieren können. In Ausschreibungen spüren wir, dass Wegwerfprodukte keine Lobby mehr haben und Qualität oft höher gewichtet wird als der reine Preis. Wir setzen uns aktiv für Verordnungen ein, die wiederverwendbare Verpackungen fördern, und denken intensiv über die Kreislauffähigkeit von Akkus nach. Auch unsere Standorte gestalten wir nachhaltig, indem wir beispielsweise hier in Dieburg in Photovoltaik-Anlagen und Wärmepumpen-Technologie investieren.
bpz: Herr Epple, ich danke Ihnen für das Gespräch.
Weitere Informationen:
www.stihl.de