Es ist der Albtraum der Hobbygärtner: Wenn sich das Moos nach einem milden Winter auf dem grünen Teppich breit macht, dann ist der mühsam angelegte Rasen binnen kürzester Zeit von diesen Pflanzen überwuchert. Hier kennen die meisten Gartenbesitzer kein Pardon und greifen notfalls zur chemischen Keule, um sich dieses Problems zu entledigen. Dabei hätten die Moose eigentlich mehr Wertschätzung verdient.
Vor 350 Mio. Jahren haben sie als erste Pflanzen das Festland erobert und trugen entscheidend dazu bei, den Sauerstoffgehalt der Atmosphäre zu erhöhen. Da Moos über keine Wurzeln verfügt, muss es alles, was es zum Überleben benötigt, aus der Luft aufnehmen. Und das funktioniert gut – die große Oberfläche macht es möglich, eine ganze Menge an Kohlendioxid aufzunehmen. In unseren Wäldern sind die Moose für die Wasserspeicherung zuständig: Haben sie sich mit Wasser eingedeckt, wird dieses bei anhaltender Trockenheit langsam wieder abgegeben. So tragen diese altertümlichen Pflanzen zu einem ausgeglichenen Wasserhaushalt und Bodenklima im Wald bei.
Aufgrund dieser Eigenschaften lassen sie sich auch als Luftfilter in den Städten einsetzen. Forscher haben herausgefunden, dass das Moos hervorragend dafür geeignet sein soll, Feinstaub aufzunehmen und vollständig umzuwandeln. Weil sich die Schadstoffe meist direkt über dem Boden und damit außerhalb des „Wirkungsbereichs“ von Bäumen befinden, können gezielt platzierte Mooswände den unerwünschten Schmutz aus der Luft filtern. Das Feinstaubproblem der Großstädte werden sie nich lösen können, aber sie können ihren Beitrag dazu leisten, auf natürliche Art und Weise für ein besseres Klima in der City zu sorgen.
Auf dieser Grundidee basiert auch die Arbeit eines Start-ups der Technischen Universität Kaiserslautern. Das Gründerteam um den Botaniker Dr. Tobias Graf hat eine Moos-Fassade entwickelt, die wartungsfrei und selbst begrünend ist. Die kleinste Einheit besteht aus einem rund ein Meter hohen,
15 cm breiten Betonelement, das nur wenige Zentimeter tief ist. Es kann beispielsweise einfach an Wände von Gebäuden angebracht werden. Oben befindet sich eine Solarzelle, aber auch eine andere Energieversorgung ist möglich. Am Boden gibt es einen Wassertank, in dem die Technik untergebracht ist. Er kann in den Boden eingelassen werden.
Die Fassadenelemente müssen nicht vorab bepflanzt werden. Die Gründer behandeln ihre Fassadenelemente mit einer speziellen Mischung vor, damit sich Moose schneller daran etablieren. „Die Pflanzen sind an das vorherrschende Klima gewöhnt und müssen sich nicht anpassen, außerdem benötigen Moose keine weiter kostenintensive Pflege wie Pflanzenschutz oder Rückschnitt“, sagt Graf. Im Vergleich zu anderen Pflanzen, die bei Fassadenbegrünungen derzeit schon zum Einsatz kommen, sind Moose ganzjährig grün.
Langfristig planen die Gründer auch Mooswände in Tunneln und U-Bahnstationen. „Wenn sie mit einer künstlichen Lichtquelle bestrahlt werden, können sie auch dort leben und z. B. helfen, die Luft von Schadstoffen zu reinigen“, erläutert Graf
Autor: Paul Deder