Bei der Vorsilbe „Nano“ denkt man an Geschichten aus der Science-Fiction-Ecke. Kaum ein Blockbuster in diesem Genre, der ohne Nanotechnologie auskommt: Die kleinen Nanobots haben dort stets einen filmreifen Auftritt – z. B. als unsichtbare Killer, die Jagd auf Menschen machen. In der Realität werden die Nanoteilchen, die größentechnisch zwischen einem Atom und einem Bakterium angesiedelt sind, als Zukunftstechnologie mit großem Potenzial gesehen.
Innovationen in diesem Bereich sollen in zahlreichen Branchen segensreichen Nutzen bei der Entwicklung neuer Produkte stiften. In unseren Alltag haben die Nanopartikel jedenfalls längst Einzug gehalten. In Sonnencremes gewährleisten sie z. B. Schutz vor ultravioletter Strahlung. Brillenträgern verhelfen sie zu mehr Durchblick, weil die Gläser mit einer speziellen schmutz- und wasserabweisenden Nanoschicht versiegelt werden. In der Autoindustrie sorgen nanohaltige Lacke für eine höhere Kratzfestigkeit während mit dem Einsatz von Nanopartikeln in Fassadenfarben selbstreinigende Oberflächen geschaffen werden.
Auch in der Baubranche kommen immer mehr Produkte auf den Markt, die nanotechnologische Effekte aufweisen. Die Anwendungsmöglichkeiten der winzigen Teilchen sind vielseitig, weil sie dazu beitragen, die Baustoffe in ihren mechanischen, energetischen, hygienischen oder ästhetischen Eigenschaften zu verbessern. Umwelt- und Wettereinflüsse auf die Oberflächen können reduziert, die Robustheit der Baumaterialien erhöht, die Zugfestigkeit verstärkt werden. Die Baustoffe sind resistenter gegenüber der Ausbreitung von Schimmelpilzen und Algen, wodurch die Langlebigkeit der Bauwerke erhöht wird.
Am Beispiel Beton wird deutlich, wie groß die Entwicklungsmöglichkeiten bei der Nanotechnologie im Bauwesen sind. Es handelt sich um einen alten Baustoff, der zwar seit langem und überall Verwendung findet, aber trotzdem nicht frei von Schwächen ist. Bei seiner Aushärtung bleiben Poren übrig, die Feuchtigkeit durchlassen und Schäden am Bauwerk hinterlassen. Mit der Zugabe von Nanopartikeln könnte Beton noch widerstandsfähiger gemacht werden. Eine Reduzierung vom Porenraum würde zudem schlankere Wandaufbauten möglich machen, was sowohl Material als auch Energie einsparen könnte. Am Nanobeton wird zwar noch geforscht, sein Vorläufer, Ultrahochfester Beton (UHPC), wird jedoch bereits für Spezialanwendungen eingesetzt.
Auch bei Oberflächenschutzsystemen für Betonbauwerke wird auf die Nanotechnologie zurückgegriffen. Durch die Ausbildung von Nanostrukturen werden die Eigenschaften soweit verbessert, dass die Beschichtungen nicht nur Betonschutz bieten, sondern auch Verschmutzungen durch Farbschmierereien standhalten. Gerade bei Brückenkonstruktionen kann der vorbeugende Graffitischutz hohe Instandhaltungskosten reduzieren.
Um Holz zu schützen kommen auch Produkte zum Einsatz, welche Nanomaterialien enthalten können. Ziel ist eine Verbesserung des UV-Schutzes, der Kratzbeständigkeit oder eine Verhinderung von Bakterienwachstum. Erreicht werden diese Eigenschaften durch Zugabe von Zinkoxid-, Eisenoxid-, Siliziumdioxid- oder Silber-Nanopartikeln.
Mit Hilfe der Nanotechnologie lässt sich sogar die Umgebungsluft reinigen. Dachstein-Oberflächen aus Mikrobeton mit nano-kristallinem Titandioxid neutralisieren Schadstoffe aus Abgasen: Unter Sonnenlicht werden Stickoxide in Nitrat umgewandelt und später vom Regen in die Kanalisation abtransportiert. Nebenbei bleiben die Dachsteine lange sauber und frei von Verschmutzungen.
Doch bei aller Euphorie ist auch Vorsicht geboten: Die möglichen Gefahren für Mensch und Umwelt bei Tätigkeiten mit Nanomaterialien werden noch erforscht – hier fehlt es an Langzeiterfahrung.
(Autor: Paul Deder)