Er schien fast schon vergessen und nun stehen die Zeichen gut, dass dieser Baustoff das ökologische Bauen der Zukunft mitgestalten kann. Das traditionelle Baumaterial Lehm, das sich hierzulande zumeist in den Ausfachungen von Fachwerkhäusern findet, wurde dank seiner natürlichen Inhaltsstoffe aus einem über 100 Jahre langen Dornröschenschlaf geweckt.
Dabei ist das Bauen mit Lehm beinahe so alt wie das Bauen selbst. Und auch heute noch leben weltweit Schätzungen zufolge etwa ein Drittel aller Menschen in Lehmhäusern. In Europa jedoch wurde der Baustoff seit Ende des 19. Jahrhunderts nach und nach durch industriell gefertigte Baustoffe verdrängt. Nun erlebt der Klassiker eine Renaissance: Als Vewitterungsprodukt fester Gesteine ist Lehm ein Gemisch aus natürlichen Stoffen wie Kies, Sand, Schluff und Ton und dadurch prädestiniert für den nachhaltigen Wohnungsbau. Er benötigt mit den geringsten Primärenergiebedarf, ist vielerorts verfügbar und kann zu 100 % recycelt werden. Auch seine bauphysikalischen Eigenschaften können sich sehen lassen: aufgrund seiner hohen Masse bietet er auch gute Schallschutzeigenschaften, ist nicht brennbar, feuchteregulierend und besitzt ein großes Wärmespeichervermögen.
All das führt dazu, dass nun im Rahmen eines Projekts der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) die Nutzung des Lehmmauerwerks für den ökologischen Wohnungsbau erforscht werden soll. Dabei soll das Tragverhalten von Lehmmauerwerk im Hinblick auf Versagensmechanismen untersucht werden, um eine Bemessung nach der allgemeingültigen Mauerwerksnorm DIN EN 1996/NA zu ermöglichen. Gefördert wird das Vorhaben, an dem auch die Technische Universität Darmstadt und die ZRS Ingenieure GmbH beteiligt sind, fachlich und finanziell von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU).
Bisherige Forschungsarbeit zum Lehmbau hat in Deutschland zur Einführung der Produktnormen für Lehmsteine, Lehmmauermörtel und Lehmputze im Jahr 2013 und für Lehmplatten im Jahr 2018 geführt. Im Bereich der Lehmputze ist es bereits gelungen, Lehmputz in die allgemeine Anwendungsnorm für Putzmörtel zu integrieren. Selbiges gilt es für Lehmsteine und Lehmmauermörtel zu erreichen, um eine Breitenanwendung von Lehmmauerwerk auf Grundlage allgemeingültiger Bemessungsvorschriften zu ermöglichen.
Ziel des Vorhabens ist es, die bereits umfangreich erarbeiteten Kenntnisse zum Tragverhalten von Lehmmauerwerk so zu erweitern, dass eine vereinfachte Bemessung von Lehmmauerwerk analog zur konventionellen Mauerwerks-Bemessungsnorm DIN EN 1996/NA möglich ist.
Autor: Paul Deder