Der im November 2016 von der Bundesregierung verabschiedete Klimaschutzplan 2050 sieht vor, bis zum Jahr 2050 weitgehend treibhausneutral zu werden. Das Etappenziel für den Sektor Industrie ist eine Halbierung der Emissionen bis 2030 gegenüber dem Niveau von 1990. So will das Land seinen Anteil leisten, um die globale Erderwärmung auf unter 2 °C zu begrenzen. Wichtig ist dabei das entschlossene Handeln der Industrie, weil dieser Sektor nach der Energieerzeugung in Deutschland der zweitgrößte Verursacher von Treibhausgasemissionen ist.
Die Schaffung einer kohlenstofffreien Wirtschaft ist daher eine der wichtigsten Maßnahmen zur Begrenzung der Erderhitzung. Sicherlich ist all das mit teils kostenintensiven Prozessveränderungen in den Produktionsstätten verbunden, doch die Einführung von CO²-neutralen Techniken kann auch eine Chance sein, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie zu stärken.
In der Verantwortung steht u. a. auch die Zementindustrie. Die Branche gilt als energie- und emissionsintensiv, denn für die Herstellung einer Tonne Zement fallen hierzulande etwa 600 kg CO² an. Auch wenn die deutschen Zementwerke ihre spezifischen Emissionen durch verfahrenstechnische Verbesserungen, alternative Rohstoffe, etc. in den letzten 30 Jahren deutlich reduziert haben, sind weitere Minderungsmaßnahmen zur Erreichung der Klimaschutzziele dringend nötig.
Ein interessanter Ansatz kommt vom Baustoffhersteller Cemex. Der global operierende Konzern hat mit dem Schweizer Cleantech-Unternehmen Synhelion eine Technologie zur Dekarbonisierung von Zement entwickelt. Die Kernidee: im Zementwerk soll einerseits die Nutzung fossiler Brennstoffe durch Hochtemperatur-Solarwärme ersetzt werden. Andererseits werden sämtliche CO²-Emissionen eingefangen und anschließend als Ausgangsmaterial für die Herstellung von solaren Treibstoffen verwendet, wodurch die Zementherstellung eine neutrale Klimabilanz erreichen kann. Möglich machen dies die Solarwärme-Technologie im Hochtemperaturbereich von Synhelion sowie der eigens entwickelte Prozess zur Umwandlung von CO² in synthetische Drop-in-Treibstoffe wie Kerosin, Diesel und Benzin.
„Unser Solar-Receiver liefert nachweislich Prozesswärme mit konkurrenzlosen Temperaturen von über 1.500 °C und bietet eine saubere Alternative zur Verbrennung fossiler Brennstoffe“, sagt Gianluca Ambrosetti, CEO von Synhelion. „Die CO²-Emissionen aus der Zementherstellung werden mit der Wärmeträgerflüssigkeit für den Solar-Receiver vermischt und in den Prozess integriert. Da wir mit einem geschlossenen Kreislaufsystem arbeiten, lassen sich die CO²-Emissionen auf einfache Weise extrahieren. Anschließend schließen wir den CO²-Kreislauf, indem wir das CO² zur Herstellung von Brennstoffen nutzen.“ „Die Partnerschaft mit Synhelion sollte uns in die Lage versetzen, noch schneller auf unser konkretes Ziel hinzuarbeiten, 2050 netto null CO² zu erreichen“, ergänzt Davide Zampini, Cemex Head of Global R&D und IP Management.
Im Frühjahr 2020 haben Cemex und Synhelion nach eigenen Angaben ein Forschungsprojekt erfolgreich abgeschlossen. Bis Ende 2022 soll eine Pilotanlage in ein bestehendes Zementwerk integriert und dann sukzessive ausgebaut werden.
Autor: Paul Deder