In Deutschland steigen die Baukosten, während die Unternehmer der Branche Schwierigkeiten bei der Suche nach Fachpersonal haben. Des Öfteren werden die Zeitpläne überzogen, wodurch eine zügige Projektabwicklung selten zu schaffen ist. Wie das anders gehen kann, zeigen uns unsere europäischen Nachbarn: Die Niederländer haben mit dem Energiesprong-Ansatz („Energiesprung“) ein Konzept entwickelt, das Modernisierungsarbeiten besser, billiger und schneller machen soll.
Beim Energiesprong setzt man auf standardisierte Lösungen mit industriell vorgefertigten Elementen, die Netto-Null-Energie-Sanierungen zu attraktiven Preisen möglich machen. Die so upgedateten Gebäude erzeugen die gesamte übers Jahr benötigte Energie für Heizung, Warmwasser und Strom in Eigenregie. Weil die Sanierungskosten zu einem großen Teil aus den eingesparten Energie- und Betriebskosten refinanziert werden, sollen Klimaschutz und bezahlbares Wohnen auf diese Weise in Einklang gebracht werden. Außerdem soll das Prinzip staatlich unterstützt werden: Die von der Bundesregierung verabschiedeten „Eckpunkte für das Klimaschutzprogramm 2030“ beinhalten im Gebäudesektor u.a. auch eine Förderung der seriellen Sanierung.
Bisher findet die energetische Modernisierung mit einem hohen Anteil handwerklicher Arbeit auf der Baustelle statt. Auch bei kleineren Gebäuden sind die Prozesse relativ komplex und eine Kostensicherheit zu Beginn der Arbeiten kaum möglich. Hinzu kommt, dass die Umsetzungsmaßnahmen sehr langwierig sein können, was gerade bei vermieteten Objekten mit einer Belastung für die Bewohner einhergeht.
Bei Energiesprong wird das Gebäude zur exakten Fertigungsplanung zu Beginn dreidimensional vermessen. Daraufhin erfolgt die Vorfertigung der Fassadenelemente – millimetergenau und samt Fenstern, Türen, und Wärmedämmverbund-System. Auch die Solarelemente werden im Vorfeld exakt auf das Gebäude angepasst. Die gesamte Haustechnik wie Wärmepumpe, Warmwasserspeicher, Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung und die Technik für Photovoltaik wird als Gesamteinheit in ein Energiemodul gepackt, das vor Ort nur noch angeschlossen werden muss. All das wird auf der Baustelle nur noch montiert, was die Dauer der Sanierung je nach Gebäude von mehreren Monaten auf wenige Tage reduziert.
Energiesprong ist ein Konzept, das sich in der Praxis bereits bewährt hat – in den Niederlanden wurden durch das Verfahren bereits rund 5.000 Gebäude energetisch und optisch auf den neuesten Stand gebracht. Das Potenzial in Deutschland ist enorm: denkt man an architektonisch einfach gestaltete, kleinere Mehrfamilienhäuser aus den 50er bis 70er Jahren, dann können rund eine halbe Million solcher Gebäude deutlich schneller als sonst zukunftsfähig gemacht werden.
In Deutschland wird die Initiative von der Deutschen Energie-Agentur (dena) koordiniert. Erste Pilotvorhaben, wie die Sanierung eines 90 Jahre alten Wohnblocks in Hameln, werden bereits umgesetzt. Nun geht es auch darum, weitere Bauunternehmen, Bauherren, Wohnungsbaugesellschaften und Komponentenhersteller für diese Idee zu begeistern, damit die Energiewende im Gebäudebestand praktisch umgesetzt werden kann.
Autor: Paul Deder