Die Konjunktur ist ein Auf und Ab. Mal geht es volkswirtschaftlich nach oben, mal tritt eine konjunkturelle Abkühlung ein. Nach zehn Jahren BIP-Wachstum in Folge ging 2020 die Wirtschaftsleistung Deutschlands erstmals zurück. Doch nicht im Bauhauptgewerge: hier stieg der Jahresumsatz um 4,9 % gegenüber dem Vorjahr, ein Jahr später gab es eine weitere Steigerung um immerhin 1,0 %. In der Krise hat sich unsere Branche erneut als widerstandsfähig gezeigt, doch der diesjährige toxische Mix aus Preissteigerungen, Lieferschwierigkeiten, Zinserhöhungen und steigenden Lebenshaltungskosten für die Verbrauchen bringt nun auch die Bauwirtschaft ins schwierige Fahrwasser.
Die Baukonjunktur verliert an Fahrt, prognostiziert wird für 2022 ein reales Umsatzminus von bis zu 5 %. Auch wenn die Stornierungswelle im Hochbau leicht zurückgeht, kämpft sowohl der Wohnungsbau als auch der gewerbliche Hochbau mit Absagen. Der ifo Institut meldet, dass 6,6 % der Hochbaufirmen über Finanzierungsschwierigkeiten klagen – vor einem Jahr lag der Anteil noch bei 0,6 %. Entsprechend pessimistisch ist der Blick in die Zukunft: Die Geschäftserwartungen für das kommende halbe Jahr fielen lt. Ifo-Umfrage auf -53,8 Punkte, das ist der tiefste Stand seit Beginn der Erhebung 1991. Alles sieht danach aus, dass eine noch zu Beginn des Jahres solide aufgestellte Branche in voller Fahrt nun in die Eisen steigen muss: Ein apruptes Ende des Booms steht uns bevor – und das trotz grundsätzlich vorhandener Investitionsfreude, hohem Wohnraumbedarf und gutem Auftragsstand in den Büchern.
Steht uns nun der baukonjunkturelle Winter vor der Tür? Von Weltuntergangsstimmung und grimmigen Gesichtern war auf der wichtigsten Messe der Baumaschinenbranche jedenfalls keine Spur. Zwar konnte die bauma 2022 an die Besucherzahlen der vorigen Veranstaltungen nicht anknüpfen, die Erwartungen der Beteiligten wurden jedoch übertrofen. Das Fazit des Veranstalters ist positiv und auch die größten Aussteller wie Wirtgen, Liebherr oder Zeppelin melden überdurchschnittliche Erfolge bei ihren Messeauftritten. Das deckt sich im Übrigen auch mit unseren eigenen Erfahrungen in München: Die Gespräche mit Firmenlenkern und Presseverantwortlichen waren allersamt durchtränkt von Hoffnung und Zuversicht. Die Unternehmen lobten sowohl die Qualität der Besucher als auch die Investitionsbereitschaft der Kunden während der Messewoche, denn viele Aufträge wurden direkt vor Ort erteilt.
Ungeachtet der Tatsache, dass die Bauwirtschaft tendenziell ein schwieriges Jahr erwartet, herrscht bei Baumaschinenherstellern Tatendrang: Die einst fokussierten Themen wie Digitalisierung, Automatisierung und Dekarbonisierung wurden mit Nachdruck angegangen und waren auf der bauma so präsent wie noch nie. Die Chancen stehen gut, dass bei den Zukunftstechnologien diesmal aus Zaungästen dankbare Abnehmer werden, denn auch auf der Anwenderseite ist grundlegendes Umdenken zu beobachten. Da die lange Phase des de facto fehlenden Wettbewerbs und Vollauslastung in der Bauindustrie vorbei zu sein scheint, wird manch ein Bauunternehmen aus seiner Komfortzone gescheucht. Nun rückt wieder die Leistungsfähigkeit der Firmen in den Vordergrund, die Logenplätze werden in Zukunft nur den Besten vorenthalten sein. Wer auf Marktveränderungen mit strategischem Mut, Flexibilität und Innovationsbegeisterung reagiert, profitiert von den bereits stattfindenden, tiefgreifenden Transformationsprozessen in der Branche. Denn trotz der eindeutig uneindeutigen konjunkturellen Entwicklung, ist die langfristige Nachfrage am Bau ungebrochen und der Gestaltungsbedarf groß. Trends wie Nachhaltigkeit, Vernetzung, BIM, Bauen im Bestand oder Vorfertigung brauchen praxistaugliche Lösungen genauso wie Wegbereiter, die Veränderungen vorantreiben. Machen wir unsere Hausaufgaben und nutzen die Ruhe vor dem Sturm. Wer seinen Laden auf Vordermann gebracht hat – ohne Rücksicht auf betonierte Strukturen – ist für den Aufschwung gut gerüstet. Und dieser kommt ganz bestimmt!
(Autor: Paul Deder)