Spätestens seit den Enthüllungen der NSA-Affäre wissen wir: Die Überwachung jedes Einzelnen von uns gehört zu den perversen Nebenwirkungen der digitalen Gegenwart. Den gestörten Voyeurismus-Drang der Geheimdienste für einen Augenblick ausgeblendet, stellen wir fest, dass die Überwachung heute maßgeblich von der privaten Wirtschaft geprägt und von der breiten Masse der Verbraucher gewollt oder zumindest gedultet wird. Unser größter Kontrollfreak werkelt in unserer eigenen Tasche. Mit Sensoren vollgepackt und durch Apps ergänzt, verrät das Smartphone permanent und zuverlässig die Daten seines Geräteinhabers, so z. B. den Aufenthaltsort.
Die Zugriffsberechtigung wird beim ersten Programmstart häufig durchgewinkt und dadurch Werbetreibenden Tür und Tor geöffnet, die zum Standort passenden Werbeanzeigen zu liefern. Wenig später blinken ortsnahe Restaurantempfehlungen auf dem Display um die Wette und die Navi-App zeigt unaufgefordert Weitsicht mit einer staufreien Route nach Hause. Auch wenn die App-Anbieter bald mehr über die Gewohnheiten seiner Nutzer wissen als deren Lebensgefährten: All das mag man noch als Service am Anwender verstehen. Dagegen grenzt das Konzept vieler Fitness-Apps auf dem Markt fast an Freiheitsberaubung. An die 10 Mio. Deutsche lassen sich auf diese Weise bereits leiten und tadeln, falls das Bewegungsziel des Tages nicht erreicht worden ist. An den gesammelten Gesundheitsdaten sind aber nicht nur die Nutzer interessiert. Sowohl Arbeitgeber als auch die Krankenkassen schielen auf die gut gepflegten Fitness-Tracker. Die einen, um gesundheitsbewusste Mitarbeiter zu fördern, die anderen, um Tarife individuell anpassen zu können.
Keine Spielerei, sondern mitunter überlebenswichtig sind die sogenannten Domotik-Sensoren, die in Seniorenhaushalten zunehmend eingesetzt werden. Angesichts des Anstiegs der allgemeinen Lebenserwartung in Deutschland wird das Altern in den eigenen vier Wänden immer mehr zum Standard. Dabei können die Assistenzsysteme nicht nur selbstbestimmtes Leben ermöglichen – angesichts des chronisch überlasteten Pflegepersonals wären sie heute schon als Unterstützung der Pflegedienste willkommen. Damit „Opa allein zu Haus“ nicht zum tragischen Fiasko wird, arbeiten Forscher an Assistenzsystemen, die den Gesundheitszustand allein lebender Bewohner überprüfen. Die in Wände und Möbel installierte Sensortechnik misst laufend die Atem- und die Herzfrequenz des Patienten und warnt Verwandte oder Pflegeteams bei Abweichungen. Druckempfindliche Teppiche erkennen, wenn eine Person gestürzt ist und schlagen Alarm. In einem elektronisch aufgemotzten Badezimmer weiß der sensorisch präparierte Spiegel, ob die Haare gekämmt, die Zähne geputzt und die Tabletten eingenommen wurden und weist Opa gegebenenfalls optisch auf das Versäumte hin. Gesunde Skepsis solcher Totalüberwachung gegenüber darf durchaus sein. Ob die Senioren einen solchen Eingriff in die Privatsphäre gut heißen und bereit sind, Geräusche, Bilder, Verhaltens- und Bewegungsmuster rund um die Uhr mit völlig Fremden zu teilen? Es schließt sich auch die Frage an, ob die nicht gerade durch ihre Zuverlässigkeit bekannten Telekommunikationsanbieter völlige Störungsfreiheit für die kontinuierliche Übermittlung der Daten zusichern können?
Assistenzsysteme kommen inzwischen auch bei Baumaschinen verstärkt zum Einsatz. Bereits heute lässt sich prognostizieren, dass den Maschinensteuerungen die Zukunft gehört. Sie beschleunigen die Arbeiten auf der Baustelle und lassen sie präziser werden. Der Verzicht auf Nacharbeiten, die Reduzierung des Verbrauchs und die Einsparung von zusätzlichem Personal vervollständigen die wirtschaftlichen Vorteile für Unternehmen. Und der Fahrer? Durch die Automatisierung einiger Arbeitsgänge wird er entlastet und kann sich auf andere Aufgaben konzentrieren. Eine Abwertung des Berufsbildes muss dabei nicht befürchtet werden – auch Flugzeugführer haben die Entwicklung des Autopiloten schadenfrei überstanden!
Autor: Paul Deder