Die Grünen und ihre notorische Art, den „Ewig-Gestrigen“ auf die Finger zu klopfen. Immer mal wieder schwingen Einzelne aus der Partei übermotiviert die ökologische Keule, was bei manch einem aus der Mitte der Gesellschaft für Schnappatmung sorgt. Unvergessen der alberne Vorstoß der damaligen Spitzenkandidatin Göring-Eckardt, einen „Veggie Day“ in öffentlichen Kantinen einzuführen – als eine Art gekochte Weltverbesserung. Der drohende Verzicht auf Schnitzel aus Massentierhaltung hat kurz vor der Bundestagswahl 2013 für ordentlich Wirbel gesorgt und die Partei Stimmen gekostet.
Ein weiteres nach außen getragenes Gedankenexperiment dieser Art kam 2019 vom Grünen-Politiker Dieter Janecek, der sich für Einschränkungen beim Fliegen aussprach und prompt parteiübergreifend Kritik erntete. Der Vorstoß, jedem Bundesbürger nur drei internationale Hin- und Rückflüge pro Jahr zu erlauben, hat sogar die eigene Parteispitze verärgert. Die Liste der grünen „Bevormundungen“ ist lang: Weg mit SUVs, Heizpilzen und Schottergärten, Schluss mit wilden Tieren in Zoos und Verbrennern auf den Straßen. Unbeeindruckt vom anschließenden Shitstorm treten die Grünen von einem Fettnäpfchen ins nächste und avancieren immer mehr zur zeigefingrigen Verbotspartei.
Dabei sind doch die Zeiten des enthemmten Naturverbrauchs in Deutschland vorbei, die Grünen längst raus aus der Nische und für das Wahljahr 2021 mit guten Chancen, „Bündnispartei“ zu werden. Daran ändert wohl auch der letzte Ausrutscher des Fraktionschefs Anton Hofreiter nichts, der sich im Spiegel-Interview kritisch gegenüber der Ausweisung neuer Baugebiete für Einfamilienhäuser geäußert hat. Auch wenn er im gleichen Zug betonte, dass die Grünen niemandem die eigenen vier Wände verbieten wollen, entstand nach außen hin der Eindruck, der Lebensstil der „Häuslebauer“ sei moralisch fragwürdig. Eine missverstandene Botschaft, die in einer modernen Kommunikationsgesellschaft schnell hohe Wellen schlägt. Besonders wenn es um ein sensibles Thema wie Freiheitseinschränkung geht – nachdem der Rechtsstaat aufgrund der Corona-Verordnungen ohnedies arg in Schräglage geraten ist. Wer den natürlichen Traum von Millionen Bürgerlichen vom Haus im Grünen und derzeit wohl bester Altersvorsorge ankratzt, muss sich auf Gegenwind einstellen.
Doch wie viel ist dran am Klimakiller „Eigenheim“? Hat der Diskurs darüber eine Relevanz? Sicher hat Hofreiter nicht unrecht, dass der Bau eines Einfamilienhauses auf der grünen Wiese mehr Baustoffe und Energie „pro Nase“ verschlingt als ein Wohnblock mitten in der Stadt. Unabhängig davon, wie attraktiv letzterer als Wohnkonzept für eine durchschnittliche deutsche Familie ist, macht ein Diskurs über Ressourcenverschwendung bei einer Wohlstandsnation wie Deutschland wenig Sinn. Dass wir alle zwei Jahre ein neues Smartphone brauchen und technisch einwandfreie Diesel-Fahrzeuge zugunsten neuerer Technologien abwracken macht deutlich, wie wenig unsere wirtschaftliche Stärke auf nachhaltigem Konsum basiert. Zudem gehören aufgrund aktuell geltender energetischer Vorgaben klimagerechte Bauweisen bei modernen Einfamilienhäusern zum Standard. Die Diskussion ist auch vor dem Hintergrund obsolet, dass die Anzahl der Ein- und Zweifamilienhäuser auch ohne mahnende Zwischenrufe seit Jahren sinkt. Ein Trend, der sich angesichts schrumpfender Bevölkerungszahl und sinkender Geburtenrate weiter fortsetzen dürfte. Will man also das Klima retten, dann geht es weniger darum, vom moralischen Hochsitz aus ideologisch motivierte Debatten loszutreten. Mehr Pragmatismus ist gefordert: Statt den schicken Neubau anzuzweifeln, muss man an den Gebäudebestand ran, der größtenteils nicht saniert ist und durch fehlende Dämmung und prähistorische Gebäudetechnik Unmengen an CO2 freisetzt. Hier steckt das eigentliche Klimaschutzpotenzial, hier müssen bessere Anreize für die Eigentümer her, um Investitionen in energetische Modernisierung anzustoßen.
(Autor: Paul Deder)