Etwas unheimlich ist es schon: Die Geräuschkulisse einer Werkhalle zeugt von Energie und Tatkraft und doch kann vom typischen, emsigen Treiben eines Produktionsbetriebes nicht die Rede sein. Es fehlen die Hauptakteure – Arbeiter, die durch ihre Erfahrung, Geschick und Muskelkraft seit jeher für die Wertschöpfung im Herstellprozess zuständig sind. Stattdessen wird die Halle von scheinbar herrenlosen Maschinen bevölkert: Autonome Stapler und Schweißroboter bewegen sich wie von Geisterhand, Werkzeugmaschinen und riesige Bearbeitungszentren formen eigenständig matte Rohlinge zu glänzenden Werkstücken um.
Der einzige Mitarbeiter aus Fleisch und Blut in der Werkhalle wird auf das akkurate Zusammenlegen der Teile in Kartons reduziert. Was hier verdächtig nach einem Downgrade des intelligentesten Wesens auf dem Planeten aussieht, ist ganz im Gegenteil das Ergebnis unseres Strebens nach Perfektion. Wir sind scharf auf die absolute Produktivität – jedes Prozent an Effizienzgewinn treibt Unternehmern Freudentränen in die Augen. Teure menschliche Arbeit durch Maschinen zu ersetzen, ist ein probates Mittel, um beim Ertrag einen großen Satz nach vorne machen zu können: Die emotionslosen, stählernen Mitarbeiter werden nie krank, besitzen keine Urlaubsansprüche, sind gewerkschaftlich nicht organisiert und zudem noch steuerlich absetzbar.
Dass dieser Technologiewandel eine soziale Sprengkraft besitzt, zeigen Berechnungen der Bank ING-Diba aus dem Jahr 2015: Die Volkswirte gehen davon aus, dass von den 31 Mio. in Deutschland Beschäftigten mehr als die Hälfte in den kommenden Jahrzehnten durch Maschinen und Software ersetzt werden könnte. Wird also mehr Arbeit zerstört, als Wachstum entsteht? Ein Armageddon durch Automatisierung? Nun wissen wir ja aus Erfahrung, dass eine gewisse Skepsis Banken gegenüber durchaus angebracht ist. In diesem Fall basieren die Berechnungen jedoch auf einer soliden wissenschaftlichen Arbeit der Universität Oxford, die 2013 veröffentlicht wurde und weltweit für Aufsehen gesorgt hat. Im Rahmen dieser Studie wurde untersucht, wie stark der amerikanische Arbeitsmarkt durch den digitalen Wandel betroffen wäre. Das Ergebnis: 47 Prozent der Amerikaner sind einem hohen Risiko ausgesetzt, ihren Arbeitsplatz an einen Roboter oder Algorithmus zu verlieren. Keine wirklich ermutigende Zahl für den neuen US-Präsidenten, der durch Protektionismus die Produktion und Beschäftigung in Inland ankurbeln will. Das spannende an der Studie ist, dass nicht nur die Geringquafizierten auf der „Abschussliste“ stehen. Auch klassische Berufe in der Mittelschicht könnten danach unter die Räder der Vierten industriellen Revolution geraten. Das betrifft Bürokräfte, Kundenberater genauso wie Journalisten oder Anwälte. Wird die künstliche Intelligenz zu einer Gefahr für ihre Erbauer, weil sie Jobs zerstört? Dann sollten vielleicht auch Roboter, die bis dato im großen Stil Schwarzarbeit betreiben, zur Kasse gebeten und zu Steuerzahlern gemacht werden, um unseren „Niedergang“ zumindest erträglicher machen zu können.
Auch wenn die eingangs beschriebene menschenleere, von Robotern betreute Fabrik auch in der Zukunft eine Ausnahme bleibt – der digitale Wandel wird Berufe verändern und neben Gewinnern sicher auch Verlierer hervorbringen. Keine Branche wird sich gewissen Anpassungen auf Dauer verschließen können. Im Moment sind die Bauberufe kaum betroffen, weil ein großer Teil der Wertschöpfung direkt vor Ort und damit außerhalb der auf Effizienz getrimmten Produktionswerke stattfindet. Außerdem ist das Baugewerbe bei der Digitalisierung im Branchenvergleich das Schlusslicht. Trotzdem: BIM, Telematik, zahlreiche Assistenzsysteme an Bord der Baumaschinen, bauseitige IT-Unterstützung oder einfach nur clevere Anbauwerkzeuge, die die Automatisierung auf der Baustelle voranbringen – all das wird die Prozesse rund um den Bau verändern, für mehr Sicherheit sorgen, den Einsatz von Maschinen und Geräten optimieren, Fahrer und Bautrupps entlasten und den Mann mit der Schaufel womöglich komplett unnötig machen. Vielleicht gehört dieses antiquierte Arbeitswerkzeug aber auch tatsächlich langsam in die Geschichtsbücher...
Autor: Paul Deder