Lange habe ich überlegt, welches Thema ich diesmal angehe. Denn: bei allem Respekt vor der aktuellen Situation geht mir der Informations-Overload in Sachen Coronavirus gehörig auf den Senkel. Kaum ein Sender, der die Thematik nicht bis zum Letzten ausschlachtet; kaum ein Experte, der nicht vor irgendeiner Kamera mit bedrückter Stimme seine düsteren Szenarien vorhergesagt hat. Virologen sind nach Jahrzehnten der Geringschätzung aus unterirdischen Forschungslabors direkt ins Scheinwerferlicht gerückt und zu neuen Medienstars avanciert. So langsam sehnt man sich jedoch nach Normalität.
Die Romantik des „entschleunigten“ Alltags, die in uns die Zurückbesinnung auf alte Tugenden wecken sollte, ist nach drei Wochen Home-Office mit Kind und Kegel verflogen. Wo sind die Probleme, die wir in den Wochen und Monaten vor der Krise ins Herz geschlossen haben? Die CDU-Führungsfrage zum Beispiel. Oder die Umsetzung des Brexit. Und wo ist Greta mit ihrer Bewegung, wenn man sie so dringend braucht? Ist man darauf angewiesen, über Wochen in den eigenen vier Wänden zu verharren, dann sind die täglichen Hiobsbotschaften rund um die Corona-Entwicklung zu wenig für die Befriedigung menschlicher Informationsbedürfnisse und zu viel für das seelische Gleichgewicht. Es scheint fast so, als könnten die Menschen nur eine geringe Anzahl von Gefahren gleichzeitig aktiv verfolgen. Der Vorrat an Sorgen ist mit Covid-19 erschöpft – auch bei den Nachrichtenmachern. Der Rest des weltweiten Leids läuft am Rande der Wahrnehmung mit.
Seit Wochen sind wir dazu verdonnert, zu Hause auszuharren. Auch wenn wir von Grund auf nicht zu den geselligsten Völkern gehören, ist die virusbedingte Isolation eine echte Herausforderung für jeden von uns. Doch während eine temporäre soziale Distanzierung noch zu verkraften wäre, kann der verhängte Shutdown unserer ansonsten gesunden Wirtschaft einen fiesen Uppercut verpassen und irreparable Schäden hinterlassen: Die Wirtschaftsweisen mutmaßen, Deutschland drohe eine schwere Rezession mit einem BIP-Einbruch um bis zu 5,4 %. So liegen bei zahlreichen Betrieben in der Gastronomie oder im Handel die Nerven blank, weil der verordnete Stillstand zum Komplettausfall der Umsätze führt. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis vor allem die kleinen Unternehmen ohne Finanz-Speck wie Dominosteine zu fallen beginnen. Und die Automobilindustrie – normalerweise das Rückgrat der deutschen Konjunktur – wird die Post-Corona-Ära ohne Hilfe wohl ebenfalls nicht schaffen. Schlägt nun die Stunde der Bauindustrie oder geraten wir genauso unter die Räder?
Das Marktforschungsunternehmen Heinze sieht die Bauwirtschaft „mit einem dunkelblauen Auge“ davonkommen. Nach dem Einbruch der Baugenehmigungen zur Mitte des Jahres sollen die Bauanträge in der zweiten Jahreshälfte weiter steigen. Dass der Wohnungsbau insgesamt intakt bleiben dürfte, läge aber auch an den immer noch fehlenden lukrativen Anlagemöglichkeiten für Investoren. Allerdings wird bei Heinze davon ausgegangen, dass die Auswirkungen der Pandemie „schmerzhafter sein werden als in der Finanzkrise“. Grund dafür sehen die Marktforscher in erheblichen Einbußen im privaten Bereich – ganz anders als während der Weltwirtschaftskrise 2008. Von Kurzarbeitergeld und mit einer ungewissen Zukunft vor Augen kann man eben nicht auf großem Fuß leben. Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie meldete vor Kurzem, dass bei einem Großteil der Bauunternehmen die Projekte noch weitgehend im Normalbetrieb laufen, Stilllegungen von Baustellen gab es nur vereinzelt. Zudem geht man in Berlin nicht davon aus, dass die Nachfrage deutlich einbricht. Probleme erwartet der Verband eher durch fehlende Baumaterialien, zunehmende Krankheitsfälle oder behördliche Maßnahmen. Dazu sei erwähnt, dass sich die Katastrophenmeldungen täglich überschlagen und die Prognosen von gestern morgen schon Makulatur sein können. Außerdem waren die Forscher in der Vergangenheit tendenziell pessimistisch bei ihrer Beurteilung der Lage. Es bleibt die Hoffnung, dass wir uns auch diese Krise größer vorstellen, als sie tatsächlich wird.
Autor: Paul Deder