„Wissen ist Macht“, sagte einst der Philosoph Francis Bacon. Angesichts des aktuell mächtigsten Mannes auf dem Planeten scheint diese Gleichsetzung nicht immer und bei jedem zu stimmen. Dass Wissen ein Grundbaustein des Erfolgs ist, wird allerdings niemand bestreiten wollen. Denn neben dem Einsatz von wirkungsvollen Technologien ist das Know-how eines jeden Mitarbeiters ausschlaggebend für den Unternehmenserfolg. Und dieses gilt es – vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und der innerbetrieblichen Fluktuation – zu bewahren und zu sichern.
Geschieht das nicht und geht das hoch spezialisierte Wissen eines scheidenden Mitarbeiters verloren, könnte der Innovationsmotor eines Unternehmens ins Stottern geraten.
Im Laufe der Geschichte ging innovatives Wissen aufgrund eines unzureichenden Transfers immer wieder verloren. So geschehen bei der Elektrizität, die seit dem 19. Jahrhundert eine Schlüsselrolle für die Entwicklungen der letzten 100 Jahre spielt. Eine Technologie, die uns jedoch viel früher den Alltag hätte erleichtern können, wie Wissenschaftler herausgefunden haben. Denn vor dem 2. Weltkrieg fanden Archäologen im Irak ein vasenförmiges Tongefäß, in dem ein Kupferzylinder und ein Stäbchen aus Eisen steckten. Die anfängliche Hypothese, dass dieses später als Bagdad-Batterie bekannt gewordene Objekt bereits vor 2000 Jahren zur Stromerzeugung genutzt werden konnte, wurde später in wissenschaftlichen Experimenten bekräftigt. Dabei konnte eine Spannung von 0,5 V erzeugt werden, die ausreichen würde, um z. B. Gegenstände galvanisieren zu können. Wo wären wir heute, wenn dieses Wissen nicht als Insider eines persischen Reitervolks geendet hätte sondern dafür genutzt worden wäre, eine solche Technologie weiterzugeben und zu entwickeln? Gut möglich, dass wir schon viel früher spannende Lösungen in der Hand hätten, um die Gretas dieser Welt zu beschwichtigen.
Auch beim Bauen hatten unsere Vorfahren Tricks auf Lager, die wir uns heute mit viel Aufwand neu erarbeiten müssen. Wieso zahlreiche antike Bauwerke Jahrhunderte lang den Naturgewalten trotzen konnten, wurde erst vor Kurzem herausgefunden. Während der heute bekannte Zement aus Rohstoffen wie Kalkstein und Ton besteht, fügten die alten Römer ihrem widerstandsfähigen Super-Beton neben dem Kalk auch vulkanische Aschen bei. Diese Geheimzutat war entscheidend für die hohe Stabilität der Bauwerke, die selbst schwere Erdbeben überstanden. Nach dem Untergang des Römischen Reiches geriet die Zusammensetzung des Baustoffs in Vergessenheit. Heute beschäftigt sich sie moderne Beton- und Zementforschung mit dem Comeback des römischen Zements – auch weil seine Herstellung mit viel weniger Energie auskommt.
Das sind nur zwei Beispiele von vielen, die uns klar machen, wie schnell gute Ideen und hilfreiche Lösungen durch einen fehlenden Wissenstransfer ihr jähes Ende finden können. Wissensinseln in der Organisation sind also unbedingt zu vermeiden. Zum Glück brauchen wir heute keine Rituale am Lagerfeuer, um Know-how von Generation zu Generation und vom Vorgänger zum Nachfolger zu übertragen. IT-basierte Lösungen tragen heute dazu bei, dass Regeln und Fakten in Form von Berichten, Anweisungen, Tabellen und sonstigen Daten digital abgelegt und dem Nachfolger zur Verfügung gestellt werden können. Die Weitergabe von Erfahrungswissen langjähriger Mitarbeiter gestaltet sich allerdings schwieriger, weil ihre intuitiven Entscheidungen „aus dem Bauch heraus“ auf Basis der eigenen Praxiserfahrung getroffen werden und sich daher kaum dokumentieren lassen. Hier ist ein Tandem-Partner-Prozess der richtige Weg, besonders wenn der scheidende Kollege für komplexe Aufgaben mit wenig standardisierten Abläufen verantwortlich zeichnet. Der Nachfolger wird so langsam an das Know-how des Vorgängers herangeführt. So lassen sich nicht nur das „Herrschaftswissen“ sichern sondern auch die Methoden Hand in Hand weiterentwickeln – angereichert durch die individuellen Ideen des neuen Stelleninhabers.
Autor: Paul Deder