Der Handel ist so alt wie die Menschheit selbst. Die letzten archäologischen Funde deuten sogar darauf hin, dass bereits unsere primitiven Vorfahren Rohstoffe importierten, um bessere Werkzeuge anfertigen zu können. Später sorgte der Fern- und Tauschhandel für den Aufstieg der antiken Hochkulturen und trug im Mittelalter dazu bei, dass Städte gegründet wurden oder an Macht und Bedeutung gewannen. Nun scheint der Handschlag als Ritual zum Abschluss eines Geschäfts seinen Zenit überschritten zu haben.
Und das nicht nur aus Gründen der Corona-Gefahr: Der stationäre Handel befindet sich seit Jahren in einem strukturellen Wandel. Durch den Siegeszug von E-Commerce steht der konventionelle Warenverkauf auf einem verlorenen Posten. Noch vor der Pandemie gerieten immer mehr mittelständische Innenstadthändler in Schieflage, fast 40.000 von ihnen mussten sogar komplett schließen, weil Kunden ihr Geld lieber im Internet ausgaben.
Dann kam die Pandemie und mit ihr der Lockdown, der für viele alteingesessene Geschäfte zum „Super-GAU“ wurde. Ohne Webauftritt und Online-Shop haben sie bei geschlossenen Ladentüren keine Chance, auf Augenhöhe zu großen online operierenden Handelsketten zu agieren und geraten unter die Räder der Corona-Eindämmungsmaßnahmen. Daher täuscht die Tatsache, dass der Einzelhandel das Krisenjahr 2020 noch mit einem Umsatzplus von knapp 4 % abgeschlossen hat. Während die etablierten Online-Verkaufsplattformen das Geschäft ihres Lebens und Jeff Bezos zum reichsten Mann der Welt machten, schauten die kleinen „Traditionalisten“ in den Städten in die Röhre, weil sie monatelang von der Hand in den Mund lebten. Nun wird prognostiziert, dass dem Überlebenskampf des Einzelhandels eine Insolvenzwelle folgt. Verschwindet er aus den Städten, dann veröden ihre Fußgängerzonen, sagen die Handelsverbände. So wie einst die Kaufhäuser die Tante-Emma-Läden aus dem Markt drängten, werden die einstigen Jäger nun selbst zu Gejagten.
Das Erlebnis „Einkaufen“ verliert bei privaten Konsumenten also zusehends an Stellenwert. Passt die Zahlungsform und der Preis, ist die Ware schnell lieferbar und ist die Aufmachung des Webshops seriös und benutzerfreundlich, dann ist der Kauf zügig abgeschlossen. Bequemlichkeit, 24/7-Verfügbarkeit und großzügige Rückgabebedingungen wiegen scheinbar stärker als individuelle Beratung, attraktive Warenpräsentation und daraus folgende Sympathiewerte für den Laden. Doch ist Online-Shopping im großen Stil auch im Baugewerbe möglich? Welche Bedeutung hat E-Commerce im B2B-Bereich im Vergleich zum klassischen Vertriebsweg? Eine Ende 2018 durchgeführte Studie des Marktforschungsinstituts BauInfoConsult zeigt auf, dass sich die Bauwirtschaft bei diesem Thema gewohnt altmodisch zeigt. Die befragten Bauunternehmen gaben an, dass in 2021 lediglich 13 % der eigenen Einkäufe über Webshops abgewickelt werden sollen. 30 % der Befragten waren sich sogar sicher, komplett auf Online-Bestellungen verzichten zu können. Möglicherweise hat der eine oder andere Zweifler im Corona-Jahr die eigenen Einkaufsstrategien überdacht. Trotzdem: Die traditionell starke Bindung zum Fachhandel lässt scheinbar keinen Raum für strukturelle Veränderungen zu. Für viele wird die Angst größer sein, ohne Verhandeln und persönlichen Kontakt schlechte Preise und Beratung zu bekommen, als der Wunsch nach Digitalisierung.
Dabei könnten Bauunternehmen von einer digitalen Strategie im Einkauf profitieren: In der Administration könnte viel Zeit gespart werden, weil Einkaufs-Prozesse teilautomatisiert ablaufen könnten. Und bei der Implementierung eines eigenen Web-shops könnte der Baubetrieb seine Modernität unter Beweis stellen. Schließlich ist die digitale Transformation im B2B-Bereich nur eine Frage der Zeit: Was heute im B2C-Sektor als überlebenswichtig gilt, wird morgen auch für uns zur neuen Realität.
Autor: Paul Deder