Wer hätte es vermutet, dass die VW-Abgasaffäre eine weitreichende Krise in der Automobilindustrie auslöst? Damals dachte man: Pech für VW und die Bestrebungen, einen Markt für den Selbstzünder zu begeistern, in dem der Anteil der Diesel-Pkws bei etwas über einem Prozent liegt. Eine kurzlebige Schlagzeile – nicht mehr und nicht weniger. Doch der Trubel rund um die Abgasmanipulationen führte in den Monaten danach dazu, dass das Problem der überhöhten Stickoxidwerte immer mehr öffentliche Aufmerksamkeit erregte. Heute ist die Technologie, die seit 125 Jahren mit einem gegenüber anderen Verbrennungsantrieben besseren Wirkungsgrad und geringerem Verbrauch punktet, in Verruf geraten.
Nicht nur das: Am 27. Februar hat das Bundesverwaltungsgericht Diesel-Fahrverbote in den Städten für grundsätzlich zulässig erklärt. Damit erreicht die seit Monaten laufende Hetzkampagne gegen den Diesel ihren traurigen Höhepunkt. Die Fahrzeuge mit Euro-5-Norm, die noch bis vor zwei Jahren als ökologisch effizient galten, sind nun auch amtlich zu Dreckschleudern erklärt worden. Mit dem extremen Rückgang der Neuzulassungen für Diesel-Pkw geraten auch die Preise der Gebrauchten zusehends unter Druck. Wer heute noch für sein älteres Dieselfahrzeug einen passablen Preis erzielt, könnte auch in der Wüste Sand verkaufen. Für die Autofahrer, die im Vertrauen auf geltende gesetzliche Regelungen angeblich umweltfreundliche Dieselfahrzeuge gekauft haben, gleichen die drohenden Fahrverbote einer kalten Enteignung. Dabei hat die völlig fehlgeleitete Diesel-Politik der großen Koalition es zu dieser Eskalation der Lage kommen lassen. Gefangen zwischen der Ungunst der Dieselfahrer und der Macht der Autokonzerne wurde das Problem mit den Stickoxid-Grenzwerten ausgesessen. Spätestens seit dem VW-Dieselgate wusste man im Verkehrsministerium offiziell vom Ausmaß der Grenzwertüberschreitungen und ihren Auswirkungen. Das Problem hätte schon vor zwei Jahren angepackt und die Industrie nach dem Verursacherprinzip zügig zur Nachbesserung verdonnert werden sollen. Stattdessen wurde die Luft der Innenstädte munter weiter verschmutzt – mit krebserregendem Feinstaub und giftigen Stickoxiden.
Immer deutlicher wird, dass die Auswirkungen der Dieseldebatte fast nur Verlierer hervorbringen. Das Ansehen der Dieseltechnologie, unserer Volksvertreter und der Autoindustrie ist kaum zu verschlechtern. Klar – die Städter können bald richtig durchatmen. Aber erst nachdem sie womöglich ihre eigenen Diesel verlustreich losgeworden sind. Nur in den Räumen der notorisch klagenden Deutschen Umwelthilfe (DUH), die nun durch den Leipziger Richterspruch einen Sieg erringen konnte, dürften die Sektkorken knallen. Dass diese Lobbygruppe seit zwei Jahrzehnten vom Marktführer für Benzin-Hybridantriebe Toyota finanziell unterstützt wird, ist natürlich reiner Zufall. Ein Schelm, wer dabei Böses denkt.
Ist der Dieselmotor als effizienteste Verbrennungskraftmaschine dem Untergang geweiht? Im Nutzfahrzeug ist der bewährte Antrieb nicht wegzudenken und auch in größeren Pkws wird er in der Zukunft Verwendung finden. Schwer zu glauben, dass dem Elektroantrieb allein die Zukunft gehört. Zu teuer, zu wenig Lademöglichkeiten, zu kleine Reichweiten: diese Technologie kann die Erwartungen – besonders im gewerblichen Bereich – nicht einmal ansatzweise erfüllen. Und eine weiße Weste hat der bejubelte Antrieb auch noch nicht, zumindest solange der Strom dafür aus Kohlekraftwerken kommt. Fest steht, dass die Diesel-Diskussion zu einer Zeit geführt wird, wo das Stickoxid-Problem technisch bereits gelöst ist. Der Motorenexperte Thomas Koch vom KIT in Karlsruhe sagte jüngst gegenüber der „Zeit“, dass die modernsten Diesel heute schon das niedrige Stickoxid-Niveau eines Hybrid-Fahrzeugs im Realbetrieb erreichen können. Nicht ausgeschlossen also, dass den Handwerkern in der Stadt der Umstieg auf den Pferdewagen erspart bleibt. Rudolf Diesel würde das freuen.
Autor: Paul Deder