Wieder ist es soweit, es naht die schöne Weihnachtszeit: Das Fest der Liebe und der unausweichlichen Kontoplünderungen im Dienste der Familienharmonie. Auf Marktplätzen, in Einkaufszentren und selbst beim Chinesen um die Ecke stehen gigantische Weihnachtsbäume, geschmückt mit Kitschkugeln in sämlichen RAL-Farben. Der Geruch von Zimt und billigem Glühwein liegt über der Stadt, während in heimischen Gärten beleuchtete Plastik-Weihnachtsmänner samt Dienstfahrzeug für festliche Stimmung und saftige Stromrechnungen sorgen. Angesichts des eskalierenden finanziellen Fiaskos neigt der Familienvater dazu, die eine oder andere preisoptimierte Geschenkalternative unter die Nordmanntanne zu legen. Weil er weiß – sein Finanzberater hält nichts von der Nächstenliebe.
Die Möglichkeiten dazu gibt es im Überfluss: Trotz der inzwischen gut verdauten Finanzkrise boomt billig in Deutschland wieder. Eine Zeit lang schien es, als habe das Motto „Geiz ist geil“ in Deutschland an Zauber verloren. Heute gehen Konsumenten wieder öfter zum Discounter, um sich mit Lebensmitteln und Alltagskruscht einzudecken. Im Rennen um die Verbraucher haben Aldi, Lidl & Co. gegenüber den klassischen Supermärkten wieder die Nase vorn: nach Angaben der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) stiegen ihre Umsätze im ersten Halbjahr 2017 um knapp 5 %. Die Begeisterung der Deutschen für Schnäppchen im Textilhandel ist weiterhin ungebrochen – während klassische Boutiquen und Modehäuser reihenweise aus dem Stadtbild verschwinden, schießen Billiganbieter wie Primark oder H&M wie Pilze aus dem Boden. Dabei geben Deutsche in Befragungen schon seit Jahren hartnäckig an, Qualität sei ihnen wichtiger als der Preis. Wenn das so ist, was hat diesen Trend dann ausgelöst? Oder ist es eine verkehrte Selbsteinschätzung? Fakt ist, dass der Anteil von Marken-Produkten im Einzelhandel tatsächlich steigt. Das liegt zum größten Teil daran, dass sich die Discounter zuletzt aus Wettbewerbsgründen sowohl im Ambiente als auch im Sortiment aufgehübscht haben. Zu No-Name-Produkten gesellen sich immer mehr Markenartikel hinzu, wodurch die bislang üblichen Preise für diese Produkte kräftig ins Rutschen geraten. Billige Markenartikel – was will man mehr?
Auf dem Bau herrscht auch ein widersprüchliches Bild: Während die Baukonjunktur in Deutschland so rund läuft wie lange nicht mehr, ist der Preiskampf unter den Baufirmen allgegenwärtig. Nicht für alle Bauherren sind Qualitätsunterschiede in der Bauausführung im Vorfeld feststellbar. Und so geht es darum, die formulierten Vorgaben vom Architekten möglichst günstig umgesetzt zu bekommen. Viele Bauunternehmer kommen nur noch an Aufträge, wenn sie ihre Leistung billig anbieten. Zwielichtige Subunternehmer mit Arbeitern aus Osteuropa, über die sich der Mindestlohn leicht aushebeln lässt, sorgen dann für die nötige Wirtschaftlichkeit der Projekte.
In der Folge führen schlechte Bauausführung und minderwertiges Material oft zu schwerwiegenden Baumängeln. Eine typische Begleiterscheinung vieler Neubauprojekte: Laut einer im Jahr 2015 vom Bauherren-Schutzbund und dem Institut für Bauforschung e.V. durchgeführten Studie treten durchschnittlich 18 Mängel bei jedem Bauvorhaben während des Bauverlaufs auf – Tendenz steigend. Die verantwortlichen Subunternehmer sind dann oft über alle Berge – genauso wie das Vertrauen der Kundschaft an das beauftragte Bauunternehmen. Den Bauherren kommt der Pfusch am Bau nicht selten doppelt so teuer. Geiz ist dann doch nicht immer geil.
Autor: Paul Deder