Über Monate galt unsere volle Aufmerksamkeit dem Kampf gegen das Virus und seine Auswirkungen. Milliardenschwere Hilfspakete historischen Ausmaßes wurden geschnürt, damit die strapazierte Wirtschaft nach dem Durchmarsch der Pandemie nicht elendig im Ringstaub liegen bleibt. Klotzen und nicht kleckern hieß die Devise – sowohl bei der Bekämpfung der Flaute mit Geld aus dem Staatssäckel als auch bei den verordneten Einschränkungen der Grundrechte.
Blickt man sich um – zu den Nachbarn in Europa oder sogar über den großen Teich, dann sieht es so aus, als hätte man Einiges richtig gemacht. Fünf Monate nach dem Ausbruch von Covid-19 in Deutschland sind wir gefühlt über den Berg, und doch ist ein Teil unserer Zukunft auf der Strecke geblieben. Die Rede ist von unseren Kindern – den unsichtbaren Opfern der Pandemie. Wir zählen die Toten und blicken voller Sorgen auf die Konjunkturprognosen der Wirtschaftsweisen. Dass durch die Schulschließungen eine ganze Generation einen unabsehbaren Schaden davon tragen wird, geht im Eifer des Gefechts unter. Die Politik vergaß ihre wichtigste Ressource.
Es handelt sich um die sogenannte Generation Z, die in eine digitale Welt hineingeboren wurde. Aufgrund der niedrigen Geburtenrate und florierenden Wirtschaft waren die Angehörigen dieser Altersgruppe auf dem besten Weg zu einer goldenen Zukunft. Nun werden sie von der Krise mit voller Wucht erwischt. Weil alle Schulen ab Mitte März geschlossen wurden und der Unterricht gegen Ende des Schuljahres nur schleppend wieder angelaufen ist, haben sich bei den Schülern enorme Wissenslücken angesammelt. Die Verlegung des Lehrstoffs vom Klassen- in die Kinderzimmer hatte keinen bis mäßigen Erfolg – hier rächten sich die Versäumnisse bei der Digitalisierung. Von der Situation kalt erwischte Lehrer trafen auf überforderte Eltern, denn beide Parteien mussten innerhalb kürzester Zeit geeignete Rahmenbedingungen fürs Homeschooling schaffen. Dazwischen: die Kinder, die in vielen Fällen beim Lernen auf sich allein gestellt waren. Für einkommensschwache Familien war die Tür ins digitale Klassenzimmer schon allein aufgrund der fehlenden Technik zugenagelt. Aber auch Kinder aus gut situierten und akademisch geprägten Familien werden nicht unbeschadet davon kommen, weil Lernrückstände durch die Bank weg kaum abzufedern sind. Eine Befragung der letzten beiden Gymnasialklassen hat z. B. ergeben, dass lediglich 27 % der Schüler täglich etwa vier Stunden Zeit mit schulbezogenen Tätigkeiten verbracht haben. Und das entspricht nicht mal ansatzweise einem üblichen Schultag plus Hausaufgaben.
Experten sind sich daher sicher, dass die verlorenen schulischen Leistungen nicht mehr aufzuholen sind und ökonomische Folgen nach sich ziehen werden. Ifo-Wissenschaftler Ludger Wössmann hat die Missentwicklung konkretisiert: Demnach erhöht jedes zusätzliche Schuljahr inkl. des entsprechenden Kompetenzerwerbs das Lebenseinkommen eines Schülers im Schnitt um rund 10 %. Im Umkehrschluss heißt das: Geht etwa ein Drittel eines Schuljahres an Lernen verloren, so geht dies über das gesamte Berufsleben gerechnet im Durchschnitt mit rund 3 bis 4 % geringerem Erwerbseinkommen einher. Theoretische Spielerei? Mitnichten. Dass individuelle Bildungsleistungen sich am Ende in höheren volkswirtschaftlichen Einkommen widerspiegeln, ist hinlänglich bekannt und ausreichend belegt.
Aber auch in der Wirtschaft bei den „Großen“ herrscht Angst vor einem Bildungsmangel. Laut einer Umfrage des VDI Wissensforum sehen über 50 % der befragten Ingenieure bedingt durch Corona-Auswirkungen Nachholbedarf bei der Weiterentwicklung von fachlichem Know-how. Und rund 60 % fordern, dass der Staat nun verstärkt in die Weiterbildung von Fachkräften investiert, um die Krise abzumildern.
Autor: Paul Deder