Blickt man auf die baukonjunkturelle Lage in der Republik, dann stellt man sich zwei Fragen: Kommen die relevanten Branchenindikatoren beim Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen an und wenn ja – wann ist mit dem Erwachen des größten Bauherren Deutschlands aus der Lethargie zu rechnen? Es ist nämlich nicht lange her, dass die Ampel-Koalition sich heroisch auf die Brust schlagend versprach, pro Jahr 400.000 neue Wohnungen zu bauen. Fertiggestellt wurden im vergangenen Jahr rund 275.000 Wohneinheiten, etwa 250.000 sind für 2023 zu erwarten.
Natürlich werden aufgrund der neuen geopolitischen Gegebenheiten in vielen Bereichen einst gesetzte Ziele nicht erreicht. Durch die neue Realität mit hoher Inflation und steigenden Energiepreisen geraten alle Unternehmer – vom Kioskbesitzer bis zum Großkonzern – unter Zugzwang. Um Kosten zu sparen, Verluste zu vermeiden und die eigene Zukunftsfähigkeit zu sichern, werden Angebot und Preise überdacht und Investitionen getätigt – in neue Geschäftsmodelle, innovative Lösungen und grüne Energieträger. Daher ist es nur richtig, auch von der Regierung Entschlossenheit, Augenmaß und Handlungswillen zu verlangen. Einer der bedeutendsten Wirtschaftszweige in Deutschland braucht mutige Schritte, um die Kurve zu kriegen – bislang leider mit bescheidener politischer Schützenhilfe.
Die Situation in der Bauindustrie wird im Moment geprägt von vielen teils gegensätzlichen Entwicklungen, die in Summe aber wenig Platz für Optimismus lassen. So hat sich das Geschäftsklima im Baugewerbe erneut verschlechtert: die Zufriedenheit der Unternehmen mit den laufenden Geschäften nimmt ab und auch die Geschäftserwartungen liegen deutlich im Minus. Auf der anderen Seite ist Entspannung bei Materialverfügbarkeit und -preisen festzustellen. Und für das Jahr 2023 wird mit einer weiteren Verbesserung der Versorgungslage gerechnet. Sorgen bereitet der Branche dagegen die rückläufige Zahl der Baugenehmigungen: vom Januar bis November 2022 wurden hierzulande 5,8% weniger neue Wohnungen als im Vorjahreszeitraum für den Bau genehmigt. Durch die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine sinkt zunehmend auch der Auftragseingang im Bauhauptgewerbe. Nur dem hohen Auftragsbestand aus der Zeit davor ist es zu verdanken, dass die Unternehmen weiter gut zu tun haben. Alles in allem werden im laufenden Jahr die Negativeffekte – so die Prognosen der Bauindustrie – für einen realen Umsatzrückgang von ca. 6 % im Bauhauptgewerbe und 9 % im Wohnungsmarkt sorgen.
Aufgrund der hohen Zinssätze und Baukosten wird sich der Wohnungsbau nicht selbst aus der Zwickmühle befreien können. In der Corona-Krise noch „die“ Stütze der deutschen Konjunktur, wird dieses Branchensegment nun von der Regierung links liegen gelassen. Trotz des drohenden Kollaps sind Staatshilfen und ein Kurswechsel in der Wohnungspolitik nicht in Sichtweite – und das trotz der sich weiter zuspitzenden Wohnraumnot. Mit dem abrupten Ende der Neubauförderung für energieeffiziente Wohnungen hat der Bund zudem Anfang des letzten Jahres die Choreografie eines Elefanten im Porzellanladen hingelegt und dem Neubau über Nacht jegliche Attraktivität geraubt. Und von der Subventionierung der Sanierung im Bestand können die Bauunternehmer kaum profitieren, denn das sind Tätigkeiten, die von anderen Gewerken übernommen werden. Vielleicht ist es also an der Zeit, die Hände aus dem Schoß zu nehmen und für das Baugewerbe endlich günstige und verlässliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Etwas weniger energiepolitische Luftschlösser und utopische Forderungen an Bauherren und etwas mehr Unterstützung für preiswertes Bauen wäre nicht verkehrt. Vor diesem Hintergrund gleicht die in Kraft tretende Neuauflage der Neubauförderung eher einem Gnadenstoß als einem echten Impuls für den Wohnungsbau.
(Autor: Paul Deder)