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Alles bleibt anders

Die deutsche Baubranche ist ein Digitalisierungsmuffel. Trotz einschlägiger Veranstaltungen, Messen und Erfolgsmeldungen über die Fortschritte der letzten Jahre kommen die Baufirmen bei ihrer digitalen Transformation nur schleppend voran. Sicher hat die Pandemie den einen oder anderen Marktteilnehmer wachgerüttelt und zum Umdenken verleitet. Die prophezeite Digitalisierungswelle, die auf die Ansteckungswelle folgt, bleibt jedoch aller Voraussicht nach Wunschdenken.

Unbestritten ist, dass die IT-Unternehmen, die entlang der Wertschöpfungskette „Bau“  eine schier unfassbare Bandbreite an Lösungen anbieten – von der digitalen Bauakte bis zur IT-gestützten Projektsteuerung – in der letzten Zeit regen Zulauf zu verzeichnen haben. Und auch nach dem ersten Corona-Schock hat die Digitalisierung einen gewissen Bedeutungsschub erhalten. Trotzdem: Im Vergleich zu anderen Branchen wie dem Automotive-Bereich, wo Industrie 4.0 seit einer gefühlten Ewigkeit „gelebt“ wird, zeigt sich das Baugewerbe äußerst schlafmützig bei seiner digitalen Transformation. Von einer vergleichbaren Durchdringung an Digitalisierung ist der Bau meilenweit entfernt. Denn: Die Treiber der digitalen Revolution sind hier seltsamerweise nicht die Anwender, sondern die Anbieter,  die hier sprichwörtlich den Hund zum Jagen tragen müssen.

Natürlich haben sich die Kolosse unter den Bauunternehmen längst technologisch „bewaffnet“ und treiben die digitalen Prozesse seit Jahren voran. 2D-Modelle wurden nicht erst seit Covid-19 durch 3D-Technologie ersetzt. Die Konzerne nutzen Drohnen zur Vermessung und Überwachung von Baustellen,  arbeiten an der Automatisierung der Baumaschinentechnik, profitieren von den Vorteilen der Vorfertigung und seriellen Fabrikation. Doch die Branche wird dominiert von kleinen Betrieben, die regionale Bauaufträge übernehmen und sich gestern wie heute auf analoge Techniken und liebgewonnene Arbeitsweisen verlassen. Auch in der Hochzeit der Pandemie haben sie sich wohl eher auf ihr Improvisationstalent verlassen, anstatt neue Wege der Arbeit, Interaktion  und  Kooperation zu beschreiten. Für das Umdenken auf breiter Front fehlt im Moment noch die impulsgebende Notlage, weil sich der Auftragsbestand trotz leichter Rückgänge immer noch auf einem komfortablen Niveau befindet. Mehr Probleme bereiten den Bauausführenden fehlendes Baumaterial, Personalengpässe und die Umsetzung der Hygienevorschriften, was hier und da zu Verzögerungen im Bauablauf führt. Ob es eine Krise nach der Corona-Krise im Baugewebe gibt, steht in den Sternen. Die Verbände wie der ZDB können nicht ausschließen, dass es zu einer nachgelagerten wirtschaftlichen Eintrübung kommen könnte, wenn das dicke Auftagspolster einmal abgearbeitet ist. Aufgrund der hohen Nachfrage im Wohnungsbausektor mit einer nach wie vor steigenden Zahl der Baugenehmigungen sind jedoch dramatische Einbrüche vorerst nicht zu erwarten. Und auch die positiven Signale der öffentlichen Hand bei Investitionstätigkeiten lassen optimistisch in die Zukunft blicken. Kommt es trotzdem zu einem Armageddon in der Bauwirtschaft, dann wird der Kelch auch an den Fortschrittlichen nicht vorüber gehen.

Obwohl sie die Missstände verdeutlicht hat – die Corona-Krise ist nicht der Startschuß für einen Paradigmenwechsel. Der Countdown läuft schon seit Jahren. Trotzdem verschwendet die Baubranche als DIE konjunkturelle Zugmaschine Jahr für Jahr Planungskapazitäten aufgrund althergebrachter Prozesse und begnügt sich mit einer unterirdischen Produktivität. Siebenmeilenstiefel für die Digitalisierung wären jetzt angebracht, digitale Tippelschritte sind realistisch. Vielleicht kann uns der Corona-Weckruf dabei helfen, die Potenziale der Branche in der Zukunft besser zu nutzen, Risiken frühzeitig zu erkennen und Bauvorhaben effizienter zu gestalten.

Autor: Paul Deder

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