Sich auf dem Höhepunkt einer Karriere zurückzuziehen, als Dominator in die Geschichtsbücher einzugehen und als lebende Legende für Inspiration des Nachwuchses zu sorgen – all das sind Weisheiten, an denen schon viele Berufsathleten gescheitert sind. Denn die Realität ist oft geprägt von alternden Sportlern, die sich an Erfolge der Vergangenheit klammern, dabei jedoch nur noch ein Schatten ihrer selbst sind. Auf der Jagd nach dem letzten großen Paukenschlag werden sie nicht von ihren Gegnern, sondern vom eigenen Körper besiegt.
So haben viele große Boxer wie Mike Tyson, Muhammad Ali oder Wladimir Klitschko den richtigen Zeitpunkt für den Rücktritt verpasst und wurden eines Tages nicht unter tosendem Applaus, sondern mit einer Links-rechts-Kombination in die Boxer-Rente geschickt. So kurz kann der Weg sein – vom König des Schwergewichtsboxens zum durchlaufenden Posten für aufstrebende Talente.
Auch in der Spitzenpolitik will die hohe Kunst der rechtzeitigen Machtübergabe gelernt sein. Helmut Kohl ist das nicht gelungen, obwohl er mit der deutschen Einheit eine Sternstunde erlebte, die kaum jemand nach ihm toppen kann. Auch die amtierende Regierungschefin scheint die Zeichen für einen günstigen Machtwechsel nicht zu erkennen und verharrt im Spätherbst ihrer Kanzlerschaft krampfhaft im Amt. Das Gefühl, wichtig und unersetzlich zu sein, lässt die politischen Alphatiere bis zum bitteren Ende weitermachen. Am Ende gehen sie erst dann, wenn sie jemand anders wegschickt.
Wie ein kontrollierter Abgang funktioniert, hat Stefan Raab vor drei Jahren eindrucksvoll vorgeführt. Im Alter von nicht einmal 50 Jahren reifte in ihm die Erkenntnis, dass die Meilensteine seiner TV-Karriere bereits hinter ihm liegen. Als immer noch beliebter und erfolgreicher Entertainer seinen Hut zu nehmen, bevor man komplett ausbrennt, verdient Respekt. Spätestens nach dem blamablen WM-Aus der deutschen Fußball-Nationalmannschaft 2018 wusste auch Philipp Lahm, dass der Zeitpunkt für das DFB-Karriereende direkt nach dem WM-Triumph 2014 passender nicht sein konnte. Und sogar der deutsche Papst Benedikt XVI. hat mit seinem Rücktritt gezeigt, dass ein freiwilliger Amtsverzicht ein Zeichen von Größe sein kann und die Lebensleistung in keinster Weise schmälert.
Auch Unternehmer sollten sich über den perfekten Zeitpunkt für den eigenen Abschied rechtzeitig Gedanken machen. Schätzungen der Förderbank KfW zufolge rollt über den Mittelstand eine Nachfolgewelle hinweg: über 200.000 Inhaber müssen bis Ende 2020 ihr Unternehmen in die Hände eines neuen Firmenlenkers legen. Nicht bei allen ist diese Frage final geklärt, vielen fällt es schwer loszulassen und andere wiederum haben gar keine geeigneten Kandidaten im Fokus. Doch den richtigen Zeitpunkt für den fliegenden Wechsel zu verschlafen, kann teuer werden: Eine nicht geregelte Nachfolge kann sowohl die Kunden, als auch die Lieferanten abschrecken, die an einer langfristigen Zusammenarbeit interessiert sind. Eine vorausschauende Planung kann zudem die Ratingnote bei den Banken verbessern, die Wert auf Stabilität an der Spitze des Unternehmens legen. Und auch die Mitarbeiter benötigen ein Mindestmaß an Planungssicherheit, um bei der Stange zu bleiben.
Rückt der Nachfolger aus der Familie nach, findet sich ein geeigneter Mitarbeiter, der die Geschäfte weiterführt oder kommt nur ein Firmenverkauf an Externe in Frage? Die Unternehmensbewertung, die Ausgestaltung der Verträge, die Einarbeitung des Nachfolgers – sowohl die Planung als auch die Umsetzung der Firmenübergabe nehmen viel Zeit in Anspruch. Doch ein Fahrplan ist zwingend notwendig, damit von dem einst mühsam Errichteten nach dem Rückzug des Chefs kein Scherbenhaufen zurückbleibt.
Autor: Paul Deder