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Die schwarzen Schafe

Nur Bares ist Wahres. Dieser Spruch riecht in unserer digitalen Bezahlwelt leicht nach Schimmel und doch hängt ein großer Teil der Deutschen an Schein und Münze. Mindestens acht Millionen müssen es sein, denn das ist die Anzahl derer, die schwarz arbeiten. Es handelt sich um schmutziges Geld – nicht nur deswegen, weil eine europäische Banknote in puncto Bakterienvielfalt sogar einer Petrischale locker Konkurrenz machen könnte. Schwarzarbeit schädigt unser Sozialsystem, vernichtet Arbeitsplätze und untergräbt die Wirtschaftsordnung und ist daher alles andere als ein Bagatelldelikt.

In der Schattenwirtschaft werden Schätzungen zufolge in diesem Jahr Leistungen im Wert von etwa 350 Mrd. Euro erbracht, was einem BIP-Anteil von etwa 10,5 % entspricht. Das Problem ist, dass sich die Schwarzarbeit oft im Privaten abspielt und dadurch von allen Beteiligten verharmlost wird. Was soll denn bitte daran so schlimm sein, wenn man hin und wieder für den Nachbarn fürs Babysitten eingespannt wird und dafür etwas „Schmezensgeld“ erhält? Es gibt keine klare rechtliche Grenze, wo die Gefälligkeit aufhört und Schwarzarbeit beginnt. Mal schnell einem Bekannten beim Tapezieren helfen und dafür einen Fünfziger einstecken – das wird die Zollbeamten noch nicht in Wallung bringen. Ein versierter Heimwerker, der die Nachbarschafsthilfe für ein Geschäftsmodell hält und damit regelmäßig seine Haushaltskasse aufbessert, schon eher. 

Im Baugewerbe wird traditionell gut und gerne am Fiskus vorbei gearbeitet. Wer selbst schon einmal gebaut hat, wird es wissen: Trotz der aktuell niedrigen Zinsen könnten sich viele Bauherren ihr neues Eigenheim gar nicht leisten, wenn nicht ein Teil der Arbeiten unter der Hand erfolgen würde. Und Sanierungsmaßnahmen würden gar nicht erst in Angriff genommen. Da kaum ein Gebäude komplett „schwarz“ hochgezogen werden kann, profitieren auch legal arbeitende Handwerker von zusätzlichen Bauaufträgen. Ähnlich funktioniert auch die Logik eines Autounfalls: dem persönlichen Schaden des Verursachers stehen Maßnahmen gegenüber, die ohne sein Dilemma gar nicht erst entstanden wären. Der Abschleppdienst schreibt eine fette Rechnung, die  Werkstatt freut sich über den Zusatzauftrag und der Verkäufer des örtlichen Autohändlers reibt sich schon aufgeregt die Hände. Vorbildlich leistet der Pechvogel seinen bescheidenen Beitrag dazu, dass der Wohlstand eines ganzen Landes das gewünschte Niveau hält. Müssen wir der Schattenwirtschaft womöglich sogar dankbar sein, weil sie das Wachstum einer Branche oder gar einer Nation ankurbelt? Wenn man unvoreingenommen urteilt und die Legislative außer Acht lässt, kann man durchaus davon ausgehen, dass die Schwarzarbeit gerade in Krisenzeiten die Binnennachfrage stärkt, weil sie den Beschäftigten ein zusätzliches steuerfreies Einkommen ermöglicht.

Vor zwei Jahren deckte der Zoll nach Razzien auf deutschen Baustellen einen Schaden von etwa 800 Mio. Euro auf, der dem Staat durch Steuerhinterziehung und fehlende Sozialbeiträge entstand. Zum Vergleich: Diese Summe würde reichen, um eine neue Elbphilharmonie zu bauen – inkl. der gemachten Planungsfehler und der daraus folgenden Verzehnfachung der Kosten. Den faden Beigeschmack bekommt man auch damit nicht los, man hätte aber zumindest ein Protzgebäude mehr auf der Habenseite.

Der Frust über Schwarzarbeiter in der Baubranche sitzt bei vielen Kleinbetrieben tief. Und auch große Bauunternehmer, die korrekt abrechnen, sind im Nachteil, weil sie einer Wettbewerbsverzerrung ausgeliefert sind. Es bleibt die Hoffnung, dass der neue Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Stärkung der Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung vollumfänglich beschlossen wird und schnellstmöglich in Kraft tritt. Bis dahin bleibt seriösen Betrieben nur die Möglichkeit, die Behörden auf Verdachtsmomente im Wettbewerbsumfeld hinzuweisen. Das Petzen hilft – im Sandkasten wie auch im Big Business...

(Autor: Paul Deder)

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